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THERAPY-Magazin
Zyklisches Beinbewegungstraining unterstützt Schlaganfallrehabilitation

Effekte von Bewegungstraining auf Gehfähigkeit und Selbständigkeit bei Schlaganfallpatienten: Wie regelmäßiges Eigentraining mit Bewegungstherapiegeräten Fortschritte ermöglicht.

Author
Jakob Tiebel
Inhaber, N+ Digital Health Agency
Der Schlaganfall verursacht neben den neurologischen Beeinträchtigungen vor allem auch eine erhöhte Immobilität der Betroffenen, die wiederum zu Sekundärerkrankungen führen kann. Neben der physio- und ergotherapeutischen Versorgung, die die Betroffenen erfahren, soll der Einfluss eines in Eigenverantwortung durchgeführten Trainings auf die Alltagsmotorik von Schlaganfallpatienten untersucht werden.
Ziele

Im Rahmen dieser Studie wurden die Effekte eines 4-monatigen Eigentrainings mit einem Bewegungstherapiegerät für die unteren Extremitäten auf die motorischen Fähigkeiten von Schlaganfallpatienten untersucht. Es galt vor allem festzustellen, welchen Einfluss das Training auf die Gehfähigkeit und Ausdauer der Betroffenen hat.
Zudem wollten die Forscher herausfinden, ob ein regelmäßiges Training mit einem solchen Therapiegerät allgemein Akzeptanz findet, die Probanden es den Vorgaben entsprechend nutzten und ob die Trainingsintensität im Verlauf anhand der BORG-Skala selbständig den Leistungsfortschritten angepasst werden konnte.
Methodik

Durchgeführt wurde eine randomisierte kontrollierte Studie. In die Untersuchungen eingeschlossen wurden zu Hause lebende Schlaganfallpatienten mit einer Hemiparese und bestehender Gehbehinderung. Die Probanden mussten körperlich und geistig dazu in der Lage sein, an Untersuchung und Training teilzunehmen und den Instruktionen der Studienleiter Folge zu leisten.
Ausgeschlossen wurden Patienten, deren allgemeiner Gesundheitszustand das angestrebte Training im submaximalen Leistungsbereich nicht zuließ oder bei denen Schmerzen ein regelmäßiges Training nicht ermöglichten. Ebenfalls ausgeschlossen wurden Patienten, die bereits auf einem herkömmlichen Fahrradergometer trainieren konnten.
Intervention

Die Patienten, die oben genannte Ein- und Ausschlusskriterien erfüllten, wurden nach Randomisierung in zwei Gruppen geteilt. Den Probanden der Interventionsgruppe (IG) wurde ein Bewegungstrainer zur Verfügung gestellt, an dem sie, zusätzlich zur konventionellen Physio- und Ergotherapie, zweimal am Tag eine knapp 15-minütige Trainingseinheit absolvieren sollten. Diese beinhaltete je eine 2- bis 3-minütige passive Auf- und Abwärmphase sowie eine mindestens 10-minütige aktive Trainingszeit bei einer Trittfrequenz von 50-70 Umdrehungen pro Minute. Während des Trainings sollten die Probanden die Aktivität des betroffenen Beines über eine Symmetrieanzeige am Gerät kontrollieren. Der Bremswiderstand war so einzustellen, dass er der Stufe 13 („etwas anstrengend“) der BORG-Skala entsprach, was unter trainingswissenschaftlichen Gesichtspunkten einem moderaten Ausdauertraining entspricht.

Die Probanden der Kontrollgruppe (KG) bekamen lediglich die konventionelle Physio- und Ergotherapie.
Messungen

Zu Beginn und zum Ende des Interventionszeitraumes wurde die Gehgeschwindigkeit (bei normalem und schnellem Gehtempo) mit dem 10-Meter-Gehtest (10-MGT) und die maximal erreichbare Gehstrecke in begrenzter Zeit mit dem 2- und 6-Minuten-Gehtest (2-/6-MGT) gemessen. Zusätzlich wurden motorische Assessments durchgeführt: Tinetti-Test (TT), Berg-Balance-Skala (BBS) und Timed „Up & Go“-Test (TUG).

Die Trainingsdaten (Zeit, Distanz, Watt, Trittfrequenz) wurden an den Geräten erfasst.
Ergebnisse

Insgesamt konnten 31 Patienten (16 IG/ 15 KG) in die Studie eingeschlossen werden, Geschlechter und Läsionen waren innerhalb der Gruppen gleich verteilt. Das durchschnittliche Alter lag bei 65 ±9 Jahren. Beide Gruppen erhielten im Interventionszeitraum durchschnittlich je zwei Einheiten Physio- und Ergotherapie pro Woche. Zu Beginn zeigten sich bei den Probanden deutliche Leistungsunterschiede. Diese waren jedoch gleich­verteilt, sodass sich keine signifikanten Gruppenunterschiede ergaben.

Für die statistischen Berechnungen wurde ein Signifikanzniveau von α = 5 % (p = 0,05) festgelegt. Bei den motorischen Tests ist zunächst eine Varianzanalyse durchgeführt worden. Zeigten sich signifikante Wechselwirkungen (p < 0,05) zwischen Interventions- und Kontrollgruppe, so wurde ein t-Test für gepaarte Stichproben durchgeführt.
Signifikante Interaktionen zwischen Interventions- und Kontrollgruppe zeigten sich bei den Ausgangswerten im 2-MGT (80 ±38 vs. 70 ±29 Meter; p = 0,015*), im 6-MGT (238 ±116 vs.195 ±88 Meter; p = 0,003**), im 10-MGT mit normalem Gehtempo (0,65 ±0,29 vs. 0,58 ±0,25 Meter/ Sek.; p = 0,024*) sowie im TUG (22 ±14 vs. 27 ±15 Sekunden; p = 0,016*).

Durch den gepaarten t-Test ließen sich in der Interventionsgruppe im Vorher-Nachher-Vergleich ebenfalls teils hoch signifikante Verbesserungen im 2-MGT (66 ±31 vs. 80 ±38 Meter; p= 0,001***), im 6-MGT(188 ±94 vs. 238 ±116 Meter; p = 0,001***), im 10-MGT mit normalem Geh­tempo (0,53 ±0,24 vs. 0,65 ±0,29 Meter/Sek.; p= 0,002**) und im TUG (29 ±18 vs. 22 ±14 Sekunden; p= 0,013*) nachweisen. In der Kontrollgruppe hingegen nicht.

Mit dem Korrelationskoeffizienten nach Pearson konnten die Forscher zudem einen Zusammenhang (r = 0,72) zwischen den Eingangswerten aus 6-MGT und der durchschnittlichen Wattleistung aus Woche 1 feststellen.

Zudem zeigte die Auswertung der trainingsspezifischen Parameter, dass Trainingsdauer und Trittfrequenz im gesamten Verlauf nahezu unverändert blieben. Die Teilnehmer trainierten durchschnittlich 18:20 ±0:46 Minuten. Davon 16:01 ±0:29 Minuten aktiv und 2:19 ±0:17 Minuten passiv. Die mittlere Trittfrequenz lag bei 58 ±2 Umdrehungen pro Minute. Ein Zusammenhang zwischen den Variablen Dauer und Distanz (r = 0,357) sowie Trittfrequenz und Distanz (r = 0,211) konnte demnach nicht festgestellt werden.
Zu Veränderungen kam es hingegen bei der Trainingsleistung (17 vs. 23 Watt; p = 0,009**) und der Distanz (3.388 vs. 4.716 Meter; p = 0,027). Hier konnte auch ein eindeutiger Zusammenhang (r = 0.948) zwischen beiden Variablen nachgewiesen werden.
Schlussfolgerung

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass das Training mit einem Bewegungstherapiegerät die submaximale Leistungsfähigkeit von Schlaganfallpatienten verbessert. Die Probanden konnten ihre Trainingsleistung im Verlauf um durchschnittlich 6 Watt steigern und legten dadurch mit einem Plus von rund 1.328 Metern pro Trainingseinheit deutlich größere Distanzen zurück als zu Beginn. Da der Trainingsumfang und die Trittfrequenz nahezu unverändert blieben, muss die Leistungssteigerung aus der Veränderung des Bremswiderstandes resultieren. Das Erreichen eines höheren Ganges stellte also scheinbar einen höheren Anreiz für die Probanden dar. Das wird durch die Korrelation der Parameter (r = 0,948) untermauert und spricht dafür, dass den Probanden eine selbständige Steuerung des Trainings mit der BORG-Skala möglich war. Der eindeutige Zusammenhang (r = 0,72) zwischen den Eingangswerten aus 6-MGT und der durchschnittlichen Wattleistung aus Woche 1 macht deutlich, dass die Belastung der tatsächlichen Leistungsfähigkeit der Probanden entsprach und sich diese im Verlauf verbesserte.

Auch auf die Gehfähigkeit hatte das Training einen positiven Einfluss. Ausdauerfähigkeit und moderate Gehgeschwindigkeit verbesserten sich bei den Probanden der Interventionsgruppe signifikant. Die Teilnehmer gingen am Ende im 6-MGT, verglichen mit den Werten aus dem Eingangstest, rund 50 Meter weiter und steigerten ihre normale Gehgeschwindigkeit um durchschnittlich 0,12 Meter/Sek, während die Werte in der Kontrollgruppe nahezu unverändert blieben.

Da die Parameter Gehstrecke und Gehgeschwindigkeit bei Schlaganfallpatienten in einem engen Zusammenhang mit der Selbständigkeit stehen, ist davon auszugehen, dass sich das Training auch darauf positiv ausgewirkt hat. Teilweise bestätigt sich das durch die signifikanten Verbesserungen im TUG, der den Grad der Selbständigkeit anhand grundlegender motorischer Fertigkeiten (z. B. Aufstehen aus dem Bett, von einem Stuhl oder von der Toilette) bestimmt. Die statistische Auswertung der anderen motorischen Assessments zeigte allerdings auch, dass andere alltagsrelevante Fähigkeiten durch das Bewegungstraining nicht verbessert werden konnten bzw. diese nach Angaben der Autoren aufgrund nicht auszuschließender Deckeneffekte durch die ordinalen Punkteskalen der Tests nicht eindeutig nachgewiesen werden konnten.

Eine hohe Compliance spiegelt sich aus Sicht der Autoren in den positiven Testergebnissen, einer über dem Soll gelegenen mittleren Trainingszeit (die Probanden trainierten im Schnitt etwa 5 Minuten länger als vorgegeben) sowie der hohen Anzahl durchgeführter Trainingseinheiten (204 ±56 Einheiten) je Teilnehmer.

Ein sicheres Indiz für die Motivation der Probanden war zudem ein gesteigertes Interesse, auch nach der Studie weiter mit einem Bewegungstrainer zu trainieren. 11 von 16 Probanden konsultierten bezüglich eines Verordnungsvorschlages ihren Arzt.
Kommentar

Das Bewegungstraining stellt in jedem Fall eine sinnvolle Ergänzung zur physio- und ergotherapeutischen Behandlung dar. Die vorliegende Studie zeigt, dass regelmäßiges Bewegungstraining die submaximale Leistungsfähigkeit von chronischen Schlaganfallpatienten verbessert und sich positiv auf die Selbständigkeit in Alltagssituationen auswirkt. Damit bestätigt sich, dass ein regelmäßiges und intensives Training in der Nachsorge unerlässlich ist, um Rehabilitationsfortschritte zu erhalten und motorische Fähigkeiten sowie die allgemeine körperliche Fitness weiter zu verbessern.

Es stimmt nicht, dass ein halbes oder ein Jahr nach einem Insult keine Verbesserungen mehr zu erwarten sind. Ganz Im Gegenteil: Durch ein an der Leistungsgrenze orientiertes Training können auch noch Jahre später eindeutige Verbesserungen erzielt werden. Diese resultieren nicht mehr aus restaurativen Ansätzen, wohl aber aus lerntheoretischen. Das Eigentraining und dessen regelmäßige Kontrolle spielen in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle, denn häufiges Wiederholen ist im Rahmen des motorischen Lernens eine der wichtigsten Determinanten für den Behandlungserfolg. Betroffene können hier aktiv mitwirken, indem sie einen Teil ihrer behandlungsfreien Zeit sinnvoll nutzen. Dadurch lernen sie Verantwortung für den Rehabilitationsprozess zu übernehmen und erleben sich selbstwirksam. Notwendig ist allerdings, dass sie lernen, das Training richtig zu dosieren und zu steuern. Patienten, die einen Bewegungstrainer für zu Hause bekommen, werden bei der Lieferung des Gerätes jedoch oft nur kurz in die Gerätebedienung eingewiesen und sind danach auf sich allein gestellt. Sie erkundigen sich zwar, wie sie richtig trainieren müssen, bekommen in der Regel jedoch keine adäquaten Antworten. Vor diesem Hintergrund ist es ein guter Gedanke, den Probanden mit der BORG-Skala ein einfaches Instrument für die selbständige Trainingssteuerung an die Hand zu geben.

Den Möglichkeiten effektiver Trainingssteuerung am Bewegungstrainer sollte zukünftig unbedingt weiter nachgegangen werden. Viele Betroffene haben einen Trainer zu Hause, schöpfen das Potential vermutlich aber nicht vollständig aus. Eventuell können softwaretechnische Lösungen hilfreich sein, die bei der Trainingssteuerung unterstützen, den Beratungsaufwand minimieren und darüber die Versorgungsqualität verbessern.
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Author
Jakob Tiebel
Inhaber, N+ Digital Health Agency
Jakob Tiebel Studium in angewandter Psychologie mit Schwerpunkt Gesundheitswirtschaft. Klinische Expertise durch frühere therapeutische Tätigkeit in der Neurorehabilitation. Forscht und publiziert zum Theorie-Praxis- Transfer in der Neurorehabilitation und ist Inhaber von Native. Health, einer Agentur für digitales Gesundheitsmarketing.
References:
  1. Kamps A, Schule K. Zyklisches Bewegungstraining der unteren Extremitäten in der Schlaganfallrehabilitation. Neurol Rehagil 2005; 11 (5): 259-269.

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