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THERAPY Magazin
Assistive Technologien in der häuslichen Sturzprävention

Assistive Technologien wie Smart-Home-Systeme und Wearables können Stürze im Alter wirksam verhindern. Erfahren Sie, wie sie funktionieren, was es zu beachten gilt – und welche Empfehlungen die Forschung gibt.

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Ergebnisse eines Health Technology Assessment
Stürze im Alter stellen ein erhebliches Gesund­heitsrisiko dar und verursachen hohe Kosten. Assistive Technologien wie Sensorsysteme und Smart-Home-Lösungen bieten innovative Ansätze zur Sturzprävention und könnten sowohl die Lebensqualität älterer Menschen verbessern als auch das Gesundheitssystem entlasten. Entdecken Sie, wie diese Technologien funktionieren, wel­che Herausforderungen bestehen und welche Em­pfehlungen für deren erfolgreiche Implemen­tierung ausgearbeitet wurden.

Stürze stellen für ältere Menschen ein erhebliches Gesundheitsrisiko dar. Etwa ein Drittel der über 65-Jährigen und die Hälfte der über 80-Jährigen stürzen mindestens einmal pro Jahr, wobei sich die Mehrheit dieser Stürze im häuslichen Umfeld ereignet (Endress et al., 2023; Jansen et al., 2021). Sturzbedingte Verletzungen zählen zu den häufigsten Ursachen für Krankenhauseinweisungen und Pflegebedürftigkeit im Alter (Schoene et al., 2023). Neben den individuellen Folgen für die Betroffenen stellen Stürze auch eine enorme ökonomische Belastung für das Gesundheitssystem dar. Allein in Deutschland wird von jährlichen Gesamtkosten in Milliardenhöhe ausgegangen (Jansen et al., 2021).

Angesichts der demografischen Alterung der Ge­sellschaft gewinnt die Sturzprävention zunehmend an Bedeutung. Zahlreiche Studien belegen, dass sich die Sturzrate durch gezielte Maßnahmen, ins­besondere durch körperliches Training und die Beseitigung von Sturzgefahren in der Woh­num­gebung, signifikant senken lässt (Becker & Bauer, 2023; Schoene et al., 2023).

Hier bieten assistive Technologien vielversprechende neue Ansätze, um Risikofaktoren frühzeitig zu erkennen und Stürze zu verhindern (Moers, 2023). Dazu zählen beispielsweise Sensorsysteme zur Sturzerkennung, Robotik gestützte Trainings­pro­gramme oder Smart-Home-Lösungen zur Anpassung der Wohnumgebung. Eine flächendeckende Imple­mentierung wirksamer technologiegestützter Prä­ventionsstrategien könnte nicht nur die Lebens­qualität älterer Menschen verbessern, sondern auch zu erheblichen Kosteneinsparungen im Gesund­heitssystem beitragen.

Die zentralen Forschungsfragen betreffen:
1. Die pflegemedizinische Wirksamkeit im Ve­r­gleich zu konventionellen Maßnahmen und Einflussfaktoren auf die Akzeptanz.
2. Technologische Herausforderungen und Sicher­heitsaspekte.
3. Gesundheitsökonomische Kosten-Nutzen-Be­wertung.
4. Ethische, soziale und rechtliche Gesichtspunkte wie Datenschutz und Privatsphäre.

Für die systematische Literaturrecherche wurden deutsch- und englischsprachige Studien von 2015 bis Juli 2024 aus relevanten Datenbanken ausgewählt. Eingeschlossen wurden Studien mit Senioren über 65 Jahren im häuslichen Setting, die assistive Technologien zur Sturzprävention untersuchten.

Die Studienqualität wurde anhand angepasster Kriterien bewertet. Dieser Artikel präsentiert Ergebnisse aus dem Teilprojekt 4 „Assistive Systeme“ des Verbundprojektes CARE REGIO.
Innovative Ansätze wie Sensorsysteme und Smart-Home-Lösungen können das Sturzrisiko bei älteren Menschen senken.
Wirksamkeit und Sicherheit

Die aktuelle Evidenz deutet darauf hin, dass ver­schiedene assistive Technologien wirksam zur Sturzprävention bei älteren Menschen im häuslichen Umfeld beitragen können. Eine Meta-Analyse von Lee et al. (2024) zeigte, dass Telehealth-Programme, Exergames, Smart Home Systeme und tragbare Sensoren das Sturzrisiko im Vergleich zu Kon­-trollgruppen signifikant senken konnten. Ins­besondere Exergames, die körperliches Training mit kognitiver Stimulation verbinden, scheinen vielversprechend zu sein. Mehrere Meta-Ana­lysen belegen, dass Exergaming die Gleichge­wichtskontrolle verbessern und Stürze bei gesunden Senioren mit ähnlichen oder sogar besseren Effekten als konventionelles Training reduzieren kann (Chen et al., 2021; Cieślik et al., 2023). Auch für Virtual-Reality-Training gibt es Hinweise auf eine Verbesserung von Balance und Gangfähigkeit (Piech & Czernicki, 2021).

Im Bereich der tragbaren Sensoren deuten Studien darauf hin, dass Algorithmen, die Beschleunigungsdaten von Körpersensoren mit Fragebogendaten kombinieren, das Sturzrisiko mit hoher Genauigkeit einschätzen können und damit eine objektive Alternative zu klinischen Assessment-Tools darstellen (Greene et al., 2021). Vielversprechend erscheint auch die Erkennung von Beinahe-Stürzen mittels Wearables, um Hochrisikopersonen frühzeitig zu identifizieren (Pang et al., 2019). Für Smart-Home-Lösungen wie intelligente Beleuchtung oder Sturzsensoren gibt es ebenfalls Hinweise auf eine wirksame Senkung der Sturzrate als sinnvolle Ergänzung zu aktiven Trainingsprogrammen (Del Miranda-Duro et al., 2021).

Trotz dieser positiven Ergebnisse ist die Evi­-denzqualität noch begrenzt. Viele Studien weisen methodische Limitationen auf, wie kleine Stich­proben, kurze Interventionsdauern oder fehlende Vergleiche mit etablierten Methoden. Es fehlen vor allem kontrollierte Langzeitstudien, die einen Vergleich mit konventionellen Maßnahmen und eine Untersuchung harter Endpunkte wie der tatsächlichen Sturzinzidenz erlauben (Del Miranda-Duro et al., 2021).
Erfolgreiche Implementierung könnte zu erheblichen Kosteneinsparungen im Gesundheitssystem führen.
Hinsichtlich der technischen Aspekte und Sicher­heit müssen für einen zuverlässigen Einsatz im Alltag noch einige Herausforderungen gemeistert werden. Dazu zählen eine benutzerfreundliche Gestaltung, ausreichende Akkulaufzeit, stabile Datenübertragung und Verarbeitungsleistung so­-
wie die Erfüllung hoher Qualitäts- und Sicher­heitsstandards (Del Miranda-Duro et al., 2021; Zhao et al., 2021). Regelmäßige Wartung und zuverlässiger Support sind essenziell, da tech­nische Ausfälle in der Sturzprävention gravierende Folgen haben können (Merda et al., 2017). Entscheidend sind zudem der Schutz der Privatsphäre und der sensiblen Gesundheitsdaten der Nutzer durch geeignete Verschlüsselungs-
und Authentifizierungsverfahren (Merda et al., 2017).
Nutzerakzeptanz und Implementierung

Ältere Menschen äußern oft Vorbehalte ge­genüber neuen Technologien aufgrund von Berüh­rungsängsten, Stigmatisierungsbefürchtungen oder Sorgen vor Überwachung und Autonomieverlust (Peek et al., 2016). Um diese Barrieren abzubauen, müssen die Systeme einfach zu bedienen, zu­-
verlässig und unmittelbar als nützlich erkennbar sein (Thordardottir et al., 2019). Eine intuitive Benutzeroberfläche, ausreichend große Anzeigen und Tasten, leicht verständliche Anleitungen sowie eine zielgruppengerechte Optik sind dabei ebenso wichtig wie die Berücksichtigung möglicher sensorischer und motorischer Einschränkungen der Nutzer (Gaspar & Lapão, 2021).

Entscheidend ist zudem eine frühzeitige Ein­beziehung der Nutzer in die Entwicklung und Erprobung der Technologien. Deren Erwartungen, Wünsche und Erfahrungen liefern wertvolle Hinweise für eine bedarfsgerechte Gestaltung (Merda et al., 2017). Beispielsweise sollten Exergames durch altersangepasste Spielinhalte und Schwierigkeits­grade motivierend und herausfordernd zugleich sein (Mähs, 2021). Auch eine flexible Anpassung an individuelle Fähigkeiten und Präferenzen, etwa hinsichtlich des Funktionsumfangs oder der Trag­barkeit von Sensoren, kann die Akzeptanz steigern (Chaccour et al., 2017).

Neben der nutzerfreundlichen Gestaltung spielen Schulungen und Support eine Schlüsselrolle für die erfolgreiche Implementierung. Sowohl die älteren Nutzer als auch deren Angehörige und Pflegekräfte benötigen Anleitung und Begleitung, um die Systeme effektiv anwenden zu können (Ohneberg et al., 2023). Dabei sind zielgruppenspezifische, niedrigschwellige Ansätze gefragt, die schrittweise an die Technik heranführen und alltagspraktische Übungen be­inhalten. Eine kontinuierliche Betreuung und die Einbindung technikaffinerer Bezugspersonen können
zudem helfen, auftretende Probleme zu lösen und die Motivation aufrechtzuerhalten (Parzen et al., 2021).

Auch Pflegekräfte müssen für den Einsatz assistiver Technologien sensibilisiert und geschult werden. Oft bestehen hier noch Vorbehalte, dass
die Systeme zu zusätzlichem Aufwand führen oder zwischenmenschliche Zuwendung ersetzen könnten (Scorna et al., 2021). Um dem entgegen-
zuwirken, sollten die Technologien als Ergänzung und Arbeitserleichterung vermittelt werden. Inter­professionelle Fortbildungen, die pflegewissenschaftliche und technische Aspekte verknüpfen, können dazu beitragen, Berührungsängste abzu­bauen und die Technikkompetenzen der Pflegenden zu stärken (Braeseke et al., 2022).

Nicht zuletzt müssen assistive Technologien sinnvoll in bestehende Versorgungs- und Pflegeprozesse integriert werden. Bislang werden die Bedarfe Pflegebedürftiger und vorhandene Pflegeroutinen noch zu wenig bei der Technikentwicklung be­rücksichtigt (GKV-Spitzenverband, 2021). Eine stärkere Vernetzung von Herstellern, Forschung und Pflegepraxis ist nötig, um alltagstaugliche Lösungen zu entwickeln. Dabei gilt es auch zu prüfen, wie sich die Systeme in übergeordnete Versorgungsstrukturen wie Hausarztpraxen, Pflegestützpunkte oder Kran­kenhäuser einbinden lassen (Braeseke et al., 2022). Eine sektorenübergreifende Zusammenarbeit und ein Schnittstellenmanagement könnten die Akzeptanz bei den professionell Pflegenden fördern.
Gesundheitsökonomische Aspekte

Die gesundheitsökonomische Betrachtung von assistiven Technologien in der häuslichen Sturz­prävention ist ein wichtiger Aspekt bei der Be­-
wertung ihrer Implementierbarkeit und Verbrei­tung. Langfristig könnten sich diese Tech­­nolo­gien wirtschaftlich rechnen, wenn durch ihren
Einsatz Folgekosten von Stürzen vermieden wer­den. Allein in den USA werden jährlich ca. 50 Milliarden Dollar für sturzbezogene Verletzungen bei älteren Menschen aufgewendet, sodass effektive Präventionsmaßnahmen erhebliche Einsparungen ermöglichen könnten (Tanwar et al., 2022). Auch der Bedarf an persönlicher Betreuung könnte durch maßgeschneiderte digitale Lösungen reduziert werden (Hamm et al., 2016).

Braeseke et al. (2022) heben hervor, dass die Kosten für die Implementierung technischer Assistenz­systeme zwar hoch sind, jedoch durch die Poten­ziale zur Reduzierung von Pflegezeiten und die Entlastung des Personals langfristige Einsparungen möglich sind. Dementsprechend könnten mit­hilfe altersgerechter Technologien ältere oder unter­stützungsbedürftige Menschen bei der Durchfüh­rung von Alltagsaufgaben unterstützt und auf ihre Sicherheit geachtet werden. Der Aufwand für Pfle­gende oder Betreuende könnte somit verringert und eine Einweisung in eine Pflegeeinrichtung verzögert oder sogar verhindert werden (Mähs, 2021).

Allerdings stellen die derzeit noch hohen Kosten ein wesentliches Hemmnis für den flächendeckenden Einsatz dar. Wie Scorna et al. (2021) feststellen, sind viele der derzeitigen Systeme zur Sturzpräven­tion zu kostenintensiv, was gegen eine Anschaffung spricht. Dies gilt insbesondere für den ambulanten Bereich, wo die Investitionskosten oft nicht durch eine hohe Nutzungsfrequenz und schnelle Amor­tisation gerechtfertigt werden können (Braeseke et al., 2022). Auch für den Einsatz zu Hause sind die Kosten klinischer Ganganalyse-Tools oft zu hoch (Chaccour et al., 2017).

Ein weiteres Problem ist die ungeklärte Finan­zierung. Weder Pflegeversicherung noch Kran­kenkassen übernehmen bislang die Kosten für Assistenzsysteme in größerem Umfang, was die Verbreitung entsprechender Angebote bremst (Merda et al., 2017). Wie Lee et al. (2024) zeigen, geht ein geringeres Haushaltseinkommen mit einer niedrigeren Technologienutzung einher, sodass hohe Kosten die Verbreitung in einkommens­schwächeren Gruppen erschweren können.

Zur gesundheitsökonomischen Evaluation von alters­gerechten Assistenztechnologien zur Sturzprävention liegen bislang nur wenige hochwertige Studien vor. Um das ökonomische Potenzial dieser Tech­nologien zu verbessern, sollten bei ihrer Bewertung verschiedene Kriterien herangezogen werden. So müssen bei der Kostenbewertung neben den An­schaffungskosten auch Folgekosten wie In­stallation, Wartung, Reparaturen, Schulungen und laufende Betriebskosten einbezogen werden. Dem gegenüber stehen potenzielle Einsparungen, z.B. durch die Vermeidung von sturzbedingten Ver­letzungen und Pflegebedürftigkeit. Dabei ist eine Langzeitperspektive wichtig, um nachhaltige Effekte abbilden zu können (Mähs & Fachinger, 2022; Merda et al., 2017).

Zudem sollten bei der Evaluation unterschiedliche Perspektiven berücksichtigt werden, etwa die der Krankenversicherung und der Versicherten als Leistungsempfänger. Für die Krankenversicherung sind vorrangig die direkten, tangiblen Kosten und Nutzen relevant, um die potenzielle Aus­gabenreduzierung zu betrachten. Aus Sicht der Versicherten sind dagegen vor allem der nicht-monetäre Nutzen wie die subjektive Gesundheit
und Lebensqualität von Bedeutung (Mähs & Fachinger, 2022)
Ethische und soziale Implikationen

Ein zentraler Aspekt ist die Verarbeitung per­sonenbezogener und sensibler Gesundheitsdaten durch die assistiven Systeme. Hier gilt es, die Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) zu beachten, was aufgrund der Komplexität und Vielfalt der Technologien eine Herausforderung darstellt. Wichtig sind dabei eine klare Definition der Verantwortlichkeiten, die Einholung von Ein­willigungen, die Gewährleistung von Datensicherheit und Transparenz sowie die Berücksichtigung von Betroffenenrechten. Besondere Anforderungen er­geben sich bei der Nutzung von Cloud-Diensten, Lokalisierungsfunktionen und lernenden Systemen (GKV-Spitzenverband, 2021; Merda et al., 2017).

Die Wahrung der Privatsphäre ist ein kritischer Punkt. Viele ältere Menschen äußern diesbezüglich Vorbehalte, insbesondere wenn Kameras oder Trackingsysteme zum Einsatz kommen. Hier besteht die Gefahr einer Überwachung und Einschränkung der Selbstbestimmung. Andererseits kann ein Mo­nitoring auch die Sicherheit erhöhen. Es gilt, einen angemessenen Ausgleich zwischen Schutz und Autonomie zu finden und die individuellen Präferenzen zu berücksichtigen (Del Miranda-Duro et al., 2021; Madara Marasinghe, 2016).

Neben Datenschutz und Privatsphäre sind auch die Auswirkungen auf soziale Beziehungen und Versorgungsstrukturen zu berücksichtigen. Einerseits können assistive Technologien pflegende Angehörige und Fachkräfte entlasten und unterstützen. Andererseits besteht die Sorge, dass menschliche Zuwendung und Fürsorge dadurch zurückgedrängt werden. Hier sind Modelle gefragt, welche die Technik als Ergänzung und nicht als Ersatz menschlicher Pflege verstehen. Der GKV-Spitzenverband (2021) betont, dass technische Innovationen nicht zu einer Substitution personenbezogener Pflege führen dür­fen, sondern als Ergänzungen angesehen werden müssen.

Dabei gilt es auch die Motivation über einen längeren Zeitraum aufrechtzuerhalten (Lee et al., 2024; Mähs, 2021). Zudem müssen sozio-kulturelle Vorbehalte insbesondere bei Pflegekräften gegenüber dem Einsatz von Technik in der Pflege ernst genommen werden. Es bedarf gezielter Informations- und Schulungsangebote, um hier einen Wandel zu erreichen (Braeseke et al., 2022).
Weitere Forschung ist nötig, um die Effektivität, Sicherheit und Akzep­tanz dieser Technologien zu gewährleisten.
Zentral für die weitere Diskussion in diesem Themenfeld ist und bleibt die Auseinandersetzung um den Nutzennachweis digitaler Anwendungen für pflegebedürftige Menschen. Denn im Bereich der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung älterer Menschen geht es um Kriterien, die nicht nur auf einen medizinischen Nutzen ausgerichtet sind, sondern Aspekte in den Blick nehmen, die auf die Selbstbestimmung, Selbstständigkeit und Lebensqualität abzielen (GKV-Spitzenverband, 2021).
Fazit und Ausblick

Die vorliegende Analyse zeigt, dass assistive Tech­nologien vielversprechende Ansätze zur Ver­-besserung der häuslichen Sturzprävention bei älteren Menschen bieten. Telehealth, Exergames, Assistenztechnologien für Bewegungstraining, Smart Homes und Wearables können die Effektivität herkömmlicher Maßnahmen ergänzen oder so­gar übertreffen, indem sie Risikofaktoren wie Gleich­gewichts- und Gangstörungen gezielt adressieren. Allerdings ist die Evidenzlage noch begrenzt und es besteht weiterer Forschungsbedarf, insbesondere zu Langzeiteffekten und Vergleichen mit etablierten Methoden.

Neben der Wirksamkeit müssen für eine erfolg­reiche Implementierung in der Praxis auch Aspekte wie Ökonomie, Nutzerakzeptanz und ethisch-rechtliche Implikationen berücksichtigt werden. Hier bestehen noch diverse Barrieren, die es durch nutzerorientierte Entwicklung, Schulungen, finanzielle Anreize und Aufklärung abzubauen gilt. Entscheidend ist eine konsequente Ausrichtung an den Bedarfen und Präferenzen der oft technikfernen Zielgruppe, um Berührungsängste abzubauen und die Adhärenz zu fördern. Zudem müssen Daten­schutz und Selbstbestimmung gewahrt und die Technik stets als Ergänzung statt Ersatz menschlicher Zuwendung verstanden werden.

Um das Potenzial assistiver Technologien in der Sturzprävention auszuschöpfen, lassen sich fol­gende Empfehlungen für Forschung, Ent­wicklung und Praxis ableiten:

• Methodisch hochwertige Studien mit ausreichend großen Stichproben, längeren Zeiträumen und
harten Endpunkten sind nötig, um die Wirk­samkeit im Vergleich zu konventionellen Maß­-
nahmen zweifelsfrei zu belegen.
• Die Technikentwicklung sollte partizipativ unter frühzeitiger Einbindung von Pflegebedürftigen, Angehörigen und Pflegekräften erfolgen, um Bedarfsgerechtigkeit und Akzeptanz zu erhöhen. Motivation und Adhärenz der Nutzer müssen durch zielgruppenspezifisches Design gefördert werden.
• Technische Verbesserungen hinsichtlich Ener­gieeffizienz, Zuverlässigkeit und Sensorfusion sind anzustreben und durch Standardisierung zu unterstützen. Interventionsstudien sollten neben der Wirksamkeit auch die langfristige Implementierung im Pflegealltag untersuchen.
• Gesundheitsökonomische Analysen unter Be­-
rück­sichtigung von direkten und indirekten Kosten, Langzeiteffekten und verschiedenen Perspektiven sind nötig, um Kosten und Nutzen
zu evaluieren und tragfähige Finanzierungskon­zepte zu entwickeln.
• Bei Entwicklung und Anwendung müssen Datenschutz, Ethik und Nutzerautonomie höchste Priorität haben. Technische Innovationen dürfen die persönliche Pflege nicht ersetzen, sondern gezielt ergänzen. Alle Stakeholder sind dabei eng einzubeziehen.

Gelingt es, diese Aspekte konsequent umzusetzen, so können altersgerechte Assistenztechnologien zu­künftig einen wertvollen Beitrag dazu leisten, Stürze zu vermeiden, die Selbstständigkeit zu fördern und die Lebensqualität pflegebedürftiger Menschen zu verbessern. Damit eröffnen sich neue Perspektiven, um die Herausforderungen des demografischen Wandels zu bewältigen und eine bedarfsgerechte, würdevolle Pflege langfristig sicherzustellen.
Förderhinweis: Das Projekt CARE REGIO und die in diesem Artikel beschriebene Forschung wurden durch Fördermittel des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit, Pflege und Prävention ermöglicht.
Fachkreise
senso
Standing & Balancing
Technologie & Entwicklung
THERAPY 2024-II
THERAPY Magazin
Wohnen im Alter & Langzeitpflege
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