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Therapie & Praxis
Globale Reha-Revolution: Abschauen erlaubt!

Wie macht man Reha besser? Andere Länder liefern Antworten.

Author
Linda Kaiser
Leitung Wissenschaft & Kommunikation, opta data Zukunfts-Stiftung
Von Japan bis Kanada zeigen Best-Practice-Beispiele, wie Physiotherapie, Prävention und Digitalisierung Hand in Hand wirken können. Wer über den Tellerrand schaut, sieht: Reha endet nicht an der Praxistür – sie beginnt im Alltag. Dieser Artikel macht Mut, gute Ideen einfach mal zu kopieren.

Rehabilitation ist längst mehr als Krankengymnastik auf Rezept. Sie zeigt, wie ernst eine Gesellschaft Gesundheit, Eigenverantwortung und Teilhabe wirklich nimmt. Während in Deutschland Reha noch in starren Strukturen aus Anträgen, Kassen­streitigkeiten und Paragrafen steckt, zeigen an­dere Länder, dass es auch anders geht – un­kom­plizierter, flexibler, näher am Menschen. Die Herausforderungen sind überall ähnlich: Chro­nische Erkrankungen nehmen zu, die Bevölkerung wird älter, Fachkräfte fehlen, Wartezeiten wachsen. Trotzdem scheitert Fortschritt hierzulande oft an Bürokratie oder Angst vor Veränderung (OECD, 2019).

Andere Länder machen es vor: Sie vernetzen Physiotherapie mit Psychologie, Sozialarbeit und digitalen Lösungen. Sie holen Reha in einen Stadtteil, ins Dorf, ins Unternehmen oder direkt aufs Handy. Wer über den Tellerrand schaut, merkt schnell: Reha ist kein Einzeltermin, sondern ein Prozess, der weit vor dem ersten Symptom beginnt und weit über den letzten Termin hinaus Wirkung zeigt (WHO, 2017).
1. Prävention: Reha beginnt vor der Reha
Japan: Prävention als gesellschaftliches Leitbild

Japan hat mit eine der ältesten Bevölkerungen der Welt. Damit dieser demografische Wandel nicht in eine Versorgungskrise führt, wird Prävention zur nationalen Aufgabe (Tsuji et al., 2018). Städte wie Matsudo fördern gezielt Bewegungsprogramme und Nachbarschaftsgruppen, die von Physio­thera­peuten begleitet werden. Studien zeigen, dass diese Programme nicht nur die körperliche Funktion stärken, sondern auch die soziale Isolation reduzieren – ein wichtiger Schutzfaktor gegen Depression und Pflegebedürftigkeit (APA, 2021).

Skandinavien: Frühintervention statt Warteschleifen

In Schweden etwa ist das „arbeitsplatznahe Reha­bilitationsmodell“ etabliert. Statt auf die Wieder­eingliederung nach sechs Wochen AU zu warten, beginnt die Reha schon während der Krankschreibung (EU-OSHA, 2021). Ergonomische Anpassungen und therapeutische Begleitung erfolgen engmaschig. Dieser Ansatz wird von der WHO gestützt, die in ihrem Reha-Framework betont, wie wichtig frühe, wohnortnahe Maßnahmen sind (WHO, 2017).

Wissenschaftlicher Hintergrund: Prävention rechnet sich

International ist gut belegt, dass präventive Ansätze in der Rehabilitation nicht nur den Betroffenen helfen, sondern auch volkswirtschaftlich relevant sind. Die WHO betont in ihrem globalen Rehabili­tation 2030-Framework: Frühzeitige, wohnortnahe und niedrigschwellige Angebote senken Folgekosten, vermeiden Krankenhausaufenthalte und verbessern die Lebensqualität nachhaltig.

Laut EU-OSHA und ILO sparen Betriebe im Schnitt 2,00 bis 2,50 Euro für jeden Euro, den sie in arbeitsplatznahe Prävention investieren (EU-OSHA 2021; ILO 2019).

Was heißt das für die Praxis?

„Prävention“ darf kein Alibi-Begriff sein. Sie funk­­tio­niert nur, wenn Strukturen geschaffen werden:

• Niedrigschwellige Zugänge (keine langen Antragswege)
• Kommunale Bewegungsangebote mit Einbindung von Physiotherapeuten
• Frühzeitige Screenings, um Risikopatienten zu erkennen
• Verzahnung mit Betrieben: Reha nicht erst nach sechs Wochen AU, sondern parallel

Deutschland hat hier Aufholbedarf. Prävention ist zwar in Leitlinien und Gesetzen verankert, wird aber oft nicht konsequent umgesetzt. Das liegt an Finanzierungslücken, Sektorengrenzen – und daran, dass Prävention in der Physiotherapie häufig nicht kostendeckend abgerechnet werden kann.
Reha­bilitation ist längst mehr als Kranken­gymnastik auf Rezept.
2. Interdisziplinär & vernetzt: Silos aufbrechen, Wirkung entfalten
Kanada, Australien und Dänemark setzen auf multi­professionelle Teams. In Kanada arbeiten Physio-, Ergo-, Psycho- und Ernährungstherapeuten eng zusammen – das bio-psycho-soziale Modell ist dort gelebte Praxis (Journal of Rehabilitation Medicine, 2020). Auch in Norwegen, wo kommunale Teams gemeinsam planen und über eine digitale Patien­tenakte verbunden sind, zeigen Studien verbesserte Mobilitäts- und Lebens­qualitätswerte (Rønningen et al., 2021).

Rehabilitation ist selten eine Einzeldisziplin. Ob chronischer Schmerz, Schlaganfallfolgen oder psychische Belastungen – komplexe Krankheitsverläufe brauchen ein Team. Länder wie Kanada, Australien oder Dänemark zeigen: Je enger Physiotherapie mit anderen Disziplinen zusammenarbeitet, desto höher sind Wirksamkeit, Patientenzufriedenheit und Nachhaltigkeit der Behandlung. In Kanada gehört interdisziplinäre Zusammenarbeit in Reha-Zentren zum Alltag. Patient, Physiotherapeut, Ergotherapeut, Psychologe, Ernährungsberater – alle sehen sich nicht als Einzelkämpfer, sondern als eng verzahntes Behandlungsteam. Gerade bei muskuloskelettalen Beschwerden oder chronischen Schmerzerkrankungen wird die psychosoziale Komponente aktiv mitbehandelt. Das bio-psycho-soziale Modell ist nicht nur Theorie, sondern gelebte Praxis.

Zentraler Ansatz: Die Rollen sind klar verteilt – der Physiotherapeut ist Bewegungsexperte, der Psychologe betreut Coping-Strategien, der Sozial­arbeiter hilft bei Alltagsanpassung, der Ernäh­rungsberater bei Gewichtsmanagement. Alle arbeiten koordiniert zusammen.

Auch in Australien ist „Community Health“ fest etabliert. Viele Physiotherapeuten arbeiten in Pri­mary-Health-Teams direkt in Stadtteilen – ge­­mein­sam mit Allgemeinärzten, Hebammen, Psychologen und Community Nurses. Ein Beispiel ist das Konzept „Shared Care“: Patienten mit chronischen Rückenschmerzen bekommen nicht einfach sechs Sitzungen verordnet, sondern ein abgestimmtes Langzeit-Management. Dazu gehören Physiotherapie, psychosoziale Beratung, digitale Homeworkouts und Gruppensitzungen.

Ergebnis: Studien aus Victoria zeigen, dass Patienten in diesen interdisziplinären Programmen seltener rückfällig werden, schneller wieder am Arbeitsplatz sind und weniger Schmerzmittel benötigen (APA, 2021).

In Norwegen und Dänemark ist die interdisziplinäre Versorgung eng mit den Kommunen verknüpft. Kommunale Reha-Zentren arbeiten oft mit festen multiprofessionellen Teams. Besonderheit: Der Pa­tient muss nicht jeden Fachtermin separat organi­sieren. Stattdessen wird gemeinsam geplant. Alle Daten laufen in einer digitalen Patientenakte zu­sammen. So weiß jeder Therapeut, was der andere macht – Redundanzen und Doppeluntersuchungen werden vermieden. Zahlreiche Metaanalysen, u. a. im Journal of Rehabilitation Medicine, zeigen, dass interdisziplinäre Reha-Programme signifikant bessere Ergebnisse erzielen – gemessen an Mobilität, Lebens­qualität und Rückfallquote.

Besonders bei Schlaganfallpatienten, chronischen Schmerzpatienten oder Long-COVID-Betroffenen bringt die interdisziplinäre Verzahnung messbare Vorteile. Der Grund ist einfach: Viele Probleme sind nicht rein physisch. Ohne psychosoziale Begleitung droht Chronifizierung. Ohne Ergotherapie bleiben Barrieren im Alltag bestehen.
3. Selbstbestimmung & Patientenautonomie: Vom Behandelten zum Mitgestalter
In den Niederlanden gehen Patienten direkt zur Physiotherapie. Die Beteiligung an Entschei-dungen und die freiwillige Zuzahlung führen laut KNGF (Royal Dutch Society for Physiotherapy) zu höherer Therapietreue (Nivel, 2020). Australien geht noch weiter: In Self-Management-Programmen werden Patienten aktiv in die Ziel­definition und Fortschrittskontrolle eingebunden. Shared Decision Making (SDM) ist dort gelebter Standard (APA, 2021).

Die Zukunft der Reha gehört den Patienten – und zwar nicht als passive Empfänger, sondern als aktive Partner. Während in Deutschland die Reha oft immer noch nach dem Prinzip „verordnen und abarbeiten“ funktioniert, zeigen Länder wie die Niederlande und Australien, dass echte Eigenverantwortung mehr bewirken kann als jede Zuzahlung oder Ver­ordnungspflicht.

Die Niederlande: Freie Wahl, starker Selbstwert

In den Niederlanden ist der Zugang zur Physio­therapie bewusst entbürokratisiert. Patienten kön­-
nen direkt zum Physiotherapeuten gehen – ganz ohne Überweisung. Viele Praxen haben sich darauf eingestellt und kombinieren klassische Therapie mit
Präventionskursen, Trainingsflächen und indivi­dueller Gesundheitsberatung. Ein wichtiges Prinzip: Patienten buchen selbstständig, entscheiden mit, welche Schwerpunkte sie setzen wollen, und zahlen bei Bedarf auch privat dazu. Diese finanzielle Eigen­beteiligung klingt zunächst abschreckend, führt aber zu einem bemerkenswerten Nebeneffekt: Wer selbst entscheidet und mitfinanziert, bleibt meist länger dran. Laut einer Studie der niederländischen KNGF liegt die Therapietreue bei chronischen Rücken­schmerzpatienten sogar deutlich über dem europäischen Durchschnitt – auch, weil Patienten ihre Therapie flexibel verlängern oder anpassen können (Nivel, 2020).

Australien: Patienten als Co-Therapeuten

Australien gilt als Vorreiter, wenn es darum geht, Patienten in Entscheidungen einzubinden. Viele Reha-Programme sind so aufgebaut, dass Patienten ihre Behandlungsziele selbst definieren. Physio­therapeuten fungieren eher als Coaches: Sie be­gleiten, stellen Wissen bereit, aber kontrollieren nicht jede Übung minutiös. Ein Beispiel sind die „Self-Management-Programme“ für Menschen mit Arthritis oder chronischen Rückenschmerzen. Nach einer Einführungsphase übernehmen Patienten ihr Training weitgehend selbst, mit digitalen Tools oder Gruppentreffen. Die Therapeuten bleiben als Ansprechpartner verfügbar – oft per Tele-Reha. Effekt: Studien der Australian Physiotherapy Association zeigen, dass diese Art der Autonomie Rückfälle reduziert. Wer versteht, wie sein Körper reagiert, erkennt Warnsignale früher – und steuert gegen. Das Konzept „Shared Decision Making“ (SDM) ist mittlerweile in vielen internationalen Reha-Leit­linien verankert. Es beschreibt einen strukturierten Prozess, bei dem Patient und Therapeut auf Augen­höhe entscheiden, welche Ziele realistisch und welche Maßnahmen sinnvoll sind. SDM stärkt nicht nur die Zufriedenheit, sondern auch die Therapie­treue – ein riesiger Hebel, gerade bei chronischen Verläufen. Die WHO empfiehlt deshalb, Patienten nicht nur in Behandlungspläne einzubeziehen, son­dern aktiv zu befähigen: mit Gesundheitsbildung, leicht verständlichen Materialien und digitalen Tools.

Hürden in Deutschland

In Deutschland steht das Thema Patientenautonomie oft noch hinter gesetzlichen Vorgaben zurück. Zwar gewinnt Shared Decision Making in Kliniken an Boden – etwa in Tumorboards oder onkologischen Rehazentren –, im ambulanten Bereich bleibt das Modell jedoch oft Wunschdenken. Grund: Zeitdruck, starre Vergütungsstrukturen, zu wenig Raum für individuelle Zielplanung. Dabei zeigen erste Pilot­projekte, dass es funktionieren kann: Manche Praxen bieten hybride Modelle an – Präsenztherapie, ergänzt durch Online-Coachings und digitale Übungs­pro­gramme. Patienten werden angeleitet, ihre Fort­schritte selbst zu dokumentieren und einzuschätzen.



„Prävention“ darf kein Alibi-Begriff sein. Sie funktioniert nur, wenn Strukturen geschaffen werden.
4. Digitalisierung: Reha neu denken – auch ohne Wartezimmer
Norwegen und Schweden setzen auf Tele-Reha, etwa im E-Rehab-Programm mit App, Wearables und wöchentlichen Video-Sessions (University of Oslo, 2022). Die Ergebnisse: weniger Therapieabbrüche, höhere Flexibilität, gleichbleibende Qualität (Mei­sing­set et al., 2021). In Kanada und Australien ermöglichen virtuelle Plattformen wohnortfernen Patienten Zugang zur Betreuung – mit nachweislich vergleichbarer Wirksamkeit (Jirasakulsuk et al., 2022; Cottrell et al., 2017).

Ob Skandinavien, Kanada oder Australien: In vielen Ländern ist Digitalisierung kein Krisen-Notnagel mehr, sondern ein fester Teil der Versorgungsrealität. Reha wird dort flexibel, ortsunabhängig und in­­dividueller – und das ohne die Qualität der per­sön­lichen Betreuung zu verlieren.

Skandinavien: Tele-Reha als Standard, nicht als Ersatz

In Norwegen oder Schweden ist Tele-Rehabilitation längst Alltag. Physiotherapeuten nutzen Video-Calls, Wearables und App-basierte Programme, um Patienten auch dann zu begleiten, wenn Präsenz­termine nicht möglich sind – sei es aus geogra­fischen, zeitlichen oder gesundheitlichen Gründen. Ein zentrales Element ist das Prinzip „Blended Care“: Digitale Einheiten ergänzen Vor-Ort-Ter­mine, ersetzen sie aber nicht komplett. Gerade bei chronischen Erkrankungen oder nach Operationen werden Patienten so kontinuierlich betreut, ohne auf die nächste Präsenzsitzung warten zu müssen.

Beispiel Norwegen: Das Programm E-Rehab kom­biniert digitale Rückenschulungen mit wöchentlichen Live-Sessions. Über eine App dokumentieren Pa­tienten ihre Fortschritte. Wearables messen Be­we­gungs­umfang, geben Feedback zu Haltung oder Belastung. Der Physiotherapeut erhält automatisch Daten und passt den Plan an.

Ergebnis: Studien der Universität Oslo belegen, dass Tele-Reha in Norwegen die Behandlungsabbrüche um bis zu 35 % senkt – vor allem, weil Patienten flexibler bleiben.

Kanada: Brücken für ländliche Regionen

Kanada ist riesig – aber dünn besiedelt. Für viele Patienten wäre es unmöglich, wöchentlich eine Reha-Klinik zu erreichen. Tele-Rehabilitation ist daher nicht nur eine Option, sondern eine Notwendigkeit. Besonders erfolgreich: „Virtual Care“-Modelle, die Physiotherapie, psychologische Betreuung und ärztliche Konsultationen kombinieren. Patienten trainieren zu Hause mit digitaler Anleitung, tauschen sich in virtuellen Gruppen aus und melden sich bei Rückfragen per Video-Call. Die Ontario Telemedicine Network Clinics (OTN) verbinden über 600 Reha-Therapeuten mit Patienten in entlegenen Regionen. Bei orthopädischen und neurologischen Indikationen zeigt sich: Die Ergebnisse unterscheiden sich kaum von der klassischen Vor-Ort-Versorgung – die Patienten fühlen sich sogar häufig besser betreut, weil sie mehr Kontaktpunkte haben.

Australien: Digitale Plattformen als Bindeglied

Australien hat in den letzten Jahren verstärkt auf nationale Plattformen gesetzt, die Patienten, Thera­peuten und Ärzte vernetzen.

Ein Beispiel: Healthdirect Australia bietet neben Informationstools auch modulare Programme an, mit denen Physiotherapeuten maßgeschneiderte Heimtrainings zusammenstellen können. Wichtiger Baustein: Die digitale Betreuung ist nicht isoliert, sondern Teil einer ganzheitlichen Versorgung. Viele Praxen koppeln Online-Programme mit Vor-Ort-Terminen. So bleibt der menschliche Faktor erhalten – während die Flexibilität steigt.

Zahlen und Evidenz: Funktioniert das?

Ja – wenn die Qualität stimmt. Eine Metaanalyse aus dem Journal of Telemedicine and Telecare (2022) zeigt, dass Tele-Rehabilitation bei orthopädischen und muskuloskelettalen Indikationen ebenso effektiv sein kann wie Präsenz-Reha – wenn sie strukturiert durchgeführt wird.

Zentrale Erfolgsfaktoren:

• klare Zielsetzung und individuelle Anpassung,
• digitale Kompetenz auf beiden Seiten,
• regelmäßiger persönlicher Kontakt, um Bindung zu sichern,
• nahtlose Integration in bestehende Behandlungs­abläufe.

Deutschland: Viel Potenzial, viele Hürden

Während COVID-19 auch hierzulande einen Digitalisierungsschub ausgelöst hat, fehlen in der Reha oft noch die Strukturen für nachhaltige Tele-Angebote. Viele Praxen haben weder die technischen Voraussetzungen noch die Zeitbudgets, um Online-Betreuung dauerhaft in ihre Arbeit zu integrieren. Zudem sind Abrechnungswege oft unklar oder zu bürokratisch. Dabei zeigen Pilotprojekte, dass der Bedarf riesig ist: Gerade Patienten in ländlichen Regionen, mit Mobilitätseinschränkungen oder familiären Belastungen wünschen sich digitale Ergänzungen – sei es als Hausaufgaben-Programm, als Video-Check-in oder als Hybrid-Modell. Einige Reha-Zentren in Bayern und Baden-Württemberg testen bereits hybride Modelle: Patienten starten stationär, führen nach Entlassung aber digitale Rückenkurse oder Atemtherapie via App fort – inklusive Chatfunktion mit dem Physiotherapeuten. Erste Auswertungen zeigen: Rückfälle und Reha-Abbrüche sinken deutlich. Digitalisierung ersetzt keinen Menschen – aber sie schafft neue Zugänge, spart Wege und eröffnet Raum für mehr Kontinuität. Länder wie Kanada, Norwegen und Australien beweisen, dass moderne Tele-Reha nicht nur ein Notbehelf ist, sondern eine Ergänzung, die Versorgungslücken schließt.

Für Deutschland gilt: Damit die Digitalisierung mehr wird als ein Pandemie-Nachhall, braucht es stabile Plattformen, verlässliche Vergütung und Weiterbildung für Therapeuten. Patienten sind bereit – jetzt muss das System liefern. Der Wille ist da, aber es fehlen Struktur, Abrechnungssicherheit und Fortbildungen. Die WHO empfiehlt, digitale Elemente in bestehende Prozesse zu integrieren, nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung (WHO, 2021).

Zukunftsblick: Reha 2035 – radikal neu gedacht

Stellen wir uns ein Jahr 2035 vor, in dem Reha nicht mehr als Reparaturbetrieb, sondern als Gesund­heitsökosystem funktioniert. KI-gestützte Screening-Tools erkennen Risiken, bevor Symptome auftreten. Physios coachen und vernetzen statt nur zu be­handeln. Wearables liefern Daten in Echtzeit, digi­tale Tools ermöglichen hybride Versorgung. Der Mensch wird vom passiven Patienten zum aktiven Mitgestalter – ein Co-Therapeut mit Verantwortung und Wissen (vgl. WHO 2021; APA 2022).

Statt Paragrafen gibt es flexible Budgets, statt Warte­schleifen smarte Schnittstellen. Und das Schönste: Prävention und Reha verschmelzen. Wer heute in Reha investiert, spart nicht nur Kosten, sondern gewinnt gesunde Jahre – für sich selbst, fürs Unternehmen, für die Gesellschaft.

Schlussgedanke

Reha endet nicht an der Praxistür. Sie beginnt da, wo Menschen leben und Verantwortung übernehmen. Abschauen ist erlaubt – und nötig. Denn Zukunft passiert nicht einfach – sie wird gestaltet. Und dabei helfen wir als opta data Zukunfts-Stiftung mit un­seren optaVita-Workshops und eLearning-Forma­ten, die genau an diesen Punkten ansetzen: Digital­kom­petenz stärken, Mindsets verändern und Praxisteams befähigen, moderne Reha nicht nur zu denken, sondern aktiv umzusetzen (opta data Zukunfts-Stiftung, 2025).

Denn Zukunft passiert nicht – sie wird gestaltet. Und das am besten gemeinsam mit denen, die heute schon Reha neu denken.


Ambulante Rehabilitation
Fachkreise
Intensiv- & Akutpflege
Stationäre Rehabilitation
Therapie & Praxis
THERAPY
THERAPY 2025-II
THERAPY Magazin
Author
Linda Kaiser
Leitung Wissenschaft & Kommunikation, opta data Zukunfts-Stiftung
Linda Kaiser hat den Gesund­heitsfachberuf von der Pike auf gelernt: Als Physiotherapeutin war sie über ein Jahrzehnt in der Neurorehabilitation tätig und erlebte hautnah, welche Herausfor­derungen und Chancen in der Versorgung von Patientinnen und Patienten stecken. Dabei erkannte sie, dass die Physiotherapie nicht nur heilen, sondern das gesamte Gesundheitssystem nachhaltig prägen kann – vorausgesetzt, sie stößt auf die richtigen Rahmenbedingungen. Um diesen Einfluss aktiv mitzugestalten, erweiterte sie ihr Wissen über das Gesundheitswesen und absolvierte neben ihrer praktischen Tätigkeit einen Bachelor in Gesundheits- und Sozialmanagement sowie anschließend einen Master of Science in Public Health. Dieser Weg ermöglichte es ihr, Theorie und Praxis noch stärker zu verbinden und sich mit den strukturellen, politischen und wirtschaftlichen Heraus­forderungen der Physiotherapie auseinanderzusetzen. Heute bringt sie ihre Erfahrung als wissenschaftliche Leitung für das Studienmanagement und die Zukunfts-Workshops der opta data Zukunfts-Stiftung ein. Hier analysiert sie wissenschaftliche Studien, entwickelt Zukunftsstrategien für das Gesundheitswesen und arbeitet mit interdisziplinären Teams daran, die Zukunftsfähigkeit der Gesundheitsfachberufe zu stärken. Dabei setzt sie unter anderem den Zukunftskompass ein – ein vom Zukunftspsychologen Prof. Dr. Thomas Druyen entwickeltes Tool, das die systematische Navigation durch die Herausforderungen der kommenden Jahre ermöglicht.
References:
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