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THERAPY-Magazin
Innovationskraft erhalten

Die Medical Device Regulation (MDR) erhöht die Sicherheit von Medizinprodukten, verlängert jedoch Zulassungszeiten und erhöht Kosten. Strategien für KMU und Hersteller.

Author
Jakob Tiebel
Inhaber, N+ Digital Health Agency
Warum die Zulassung neuer Medizinprodukte immer zeitaufwändiger und teurer wird und warum Innovation langfristig nur durch die enge Zusammenarbeit mit dem Kunden gesichert werden kann.
Die Welt der Medizintechnik ist faszinierend, die technologischen Fortschritte in den letzten Jahrzehnten sind beeindruckend. Unternehmen der Medizintechnik entwickeln gemeinsam mit Anwendern, Ärzten und Wissenschaftlern innovative Produkte, Therapien und Behandlungsverfahren – zum Wohle der Patienten. Moderne Behandlungsverfahren, zu denen auch die elektromechanische Gangtherapie und die robot-assistive Therapie der oberen Extremität gehören, wären ohne Technikeinsatz nicht denkbar und würden die Qualitätssicherung in der Therapie deutlich erschweren, wenn nicht sogar unmöglich machen.

Die Kehrseite des medizintechnischen Fortschritts sind überzogene Heilversprechen und zum Teil falsche Aussagen über die Sicherheit und Leistungsfähigkeit von Medizinprodukten. Insbesondere der Skandal um einen französischen Brustimplantat-Hersteller im Jahr 2010 hat dafür gesorgt, dass das Vertrauen in die Medizintechnik geschwunden ist. Illegal brachte das Unternehmen damals Brustimplantate auf den Markt, die weltweit rund 500.000 Frauen eingesetzt worden waren und schwere Gesundheitsprobleme verursachten. Kein Wunder: Statt mit hochwertigem medi­zinischem Silikon befüllte das Unternehmen seine Implantate aus Profitgier mit handelsüblichem Industriesili­kon aus dem Baumarkt [8, 10, 13, 18].
Profitgier sorgte für eine deutliche Verschärfung der regulatorischen Anforderungen für das Inverkehrbringen von Medizinprodukten.
Das Ergebnis ist eine deutliche Verschärfung der regulatorischen Anforderungen für das Inverkehrbringen von Medizinprodukten. Patientenschutz und Patientenwohl haben höchste Priorität im Medizinprodukterecht [6, 11, 14, 17]. Ein hierzu erforderliches regulatorisches System für Medizinprodukte existiert im Grunde bereits seit über 15 Jahren [1, 12]. Durch die Skandale geriet der europäische Gesetzgeber jedoch massiv unter Druck und sah sich gezwungen, die Verordnungen zu novellieren. Am 25. Mai 2017 wurde deshalb eine neue europäische Medizinprodukteverordnung, die Medical Device Regulation (MDR)1, eingeführt. Sie soll die Patientensicherheit zukünf­tig erhöhen. Dafür sieht die Verordnung unter anderem eine verschärfte klinische Bewertung sowie Maßnahmen zur europaweit einheitlichen Überwachung von im Markt befindlichen Medizinprodukten vor [16].

Bis zum 26. Mai 2021 gilt noch das bisherige Recht basierend auf den Richtlinien 90/385/EWG2 und 93/42/EWG3. Dann endet die Übergangsfrist, innerhalb derer die Zertifizierung von Medizin­produkten für die Hersteller noch nach altem Recht möglich war [9].
Für die Sicherheit der Patienten wurde eine neue europäische Medizinprodukteverordnung, die Medical Device Regulation (MDR), eingeführt.
Die zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen der MDR werden Einfluss auf die Entwicklung der gesamten Medizintechnikbranche haben [5, 15]. Betroffen sind insbesondere die kleinen und mitt­leren Unternehmen (KMU) [15]. Sie gelten als Innovatoren und Treiber der Branche und machen über 90 Prozent der Medizintechnikunternehmen aus [2, 3, 4]. Sie spüren die negativen Auswirkungen der MDR besonders stark und stehen mit der Erfüllung höherer regulatorischer Anforderungen vor einer großen Herausforderung [7, 15].

Welche Auswirkungen haben die zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen auf die Entwicklung neuer Medizintechnik? In Zeiten des demografischen Wandels, fortschreitender Digitalisierung und immer besser informierter Kunden sind die Erwartungen an die Produktentwicklung und Vermarktung hoch [19]. Gefragt sind vor allem „schnelle“ Entwicklungen, um auf gegenwärtige Herausforderungen in der Medizin reagieren zu können und konkurrenzfähig zu bleiben. Rund ein Drittel der am Markt erhältlichen Medizinprodukte sind nicht älter als drei Jahre [4]. Noch ist nicht vollständig abzusehen, wie sich die Umsetzung der MDR auf den medizintechnischen Markt im Ganzen auswirken wird. Unbestritten ist jedoch der Einfluss von steigenden Kosten und höherem Zeitaufwand durch die Zertifizierung. Die mit der Verordnung verbundenen Qualitätsziele des Gesetzgebers und die Forderung nach einer schnellen Entwicklung innovativer Produkte werden nur schwer miteinander in Einklang zu bringen sein. Die aufwendigeren Prüf- und Zulassungsverfahren werden die Agilität und das Innovationsvermögen der Unternehmen hemmen [4, 9].

Durch die strengeren und aufwendigeren Prüfverfahren müssen die Hersteller künftig also deutlich mehr Zeit für die Zertifizierung ihrer Produkte einplanen. Hinzu kommt, dass für die Umsetzung der neuen Auflagen mehr Personal in der Qualitätssicherung benötigt wird. Zwangs­läufig werden weniger Ressourcen für Forschung und Ent­wicklung zur Verfügung stehen. Die Zeitspanne, bis Patienten von neuen Technologien profitieren, wird sich durch die neuen Regelungen verlängern. Fraglich ist auch, wie die zusätzlichen Kosten finanziert werden. Denn den Mehraufwand, den die Unternehmen durch die Zertifizierung haben, werden sie irgendwie wieder erwirtschaften müssen. Unterm Strich werden Patienten zukünftig also von einer höheren Sicherheit der Medizinprodukte profitieren, müssen auf diese aber deutlich länger warten und dafür vermutlich auch tiefer in die Tasche greifen als bisher [20].
Patienten werden zukünftig von einer höheren Sicherheit der Medizinprodukte profitieren, müssen auf diese aber deutlich länger warten und dafür vermutlich auch tiefer in die Tasche greifen.
Die Veränderungen im Markt, die durch die neue EU-Verordnung bereits angekündigt sind, werden trotz aller Proteste seitens der Industrie nicht aufzuhalten sein. Insbesondere für KMU bedeutet das, die Herausforderungen bei der Entwicklung, Produktion und im Vertrieb von Medizinprodukten auch künftig geschickt zu meistern. Doch wie muss sich ein KMU künftig strategisch ausrichten, um wettbewerbsfähig zu bleiben? Egal, ob es um Innovationen, bestehende Medizinprodukte oder Servicedienstleistungen geht: In Zeiten der neuen Vorschriften der MDR gilt es, Produkttrends so früh wie möglich zu erkennen. Hierbei spielen die Kunden eine zentrale Rolle. Je mehr diese bereit sein werden, eng mit der Medizintechnik zusammenarbeiten, und je klarer sie ihre Anforderungen formulieren, umso eher wird sich voraussehen lassen, welche neuen, innovativen Produkte in Zukunft gefragt sein werden. Dann können Hersteller ihre Ressourcen bündeln und ihre Forschung und Entwicklung auf die Bedürfnisse der Kunden konzentrieren. Das wird viel Zeit und Geld sparen und trotz längerer Zulassungswege die rechtzeitige Verfügbarkeit neuer Produkte sicherstellen.

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Author
Jakob Tiebel
Inhaber, N+ Digital Health Agency
Jakob Tiebel Studium in angewandter Psychologie mit Schwerpunkt Gesundheitswirtschaft. Klinische Expertise durch frühere therapeutische Tätigkeit in der Neurorehabilitation. Forscht und publiziert zum Theorie-Praxis- Transfer in der Neurorehabilitation und ist Inhaber von Native. Health, einer Agentur für digitales Gesundheitsmarketing.
References:
  1. Altenstetter C (2003). EU and Member State Medical Devices Regulation. International Journal of Technology Assessment in Health Care 2003; 19(1): 228-248.
  2. BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung) (2019). KMU-innovativ: Medizintechnik. Online zugegriffen am 27.12.2019: https://www.bmbf.de/de/kmu-innovativ-medizintechnik-608.html.
  3. Bundesanzeiger (2018). Bekanntmachung: Richtlinie zur Förderung von Zuwendungen für „KMU-innovativ: Medizintechnik“; Bundesanzeiger vom 19.09.2018. Online zugegriffen am 27.12.2019: https://www.bmbf.de/foerderungen/bekanntmachung- 2010.html.
  4. BVMed (2019). Branchenbericht Medizintechnologien 2019. Online zugegriffen am 27.12.2019: https://www.bvmed.de/download/bvmed-branchenbericht-medtech.pdf.
  5. Engler M (2019). Gesetze für Usability Engineers: Die Medizinprodukteverordnung (MDR) – Neue Aufgaben für das Usability Engineering. In: Fischer, H. & Hess, S. (Hrsg.), Mensch und Computer 2019 – Usability Professionals. Bonn: Gesellschaft für Informatik e.V. Und German UPA e.V.
  6. Felber A, Müller J (2004). Sicherheit im Umgang mit Medizinprodukten. Gynäkologe (2004) 37: 45.
  7. Gemke G (2017). Die neue Medizinprodukteverordnung EU . Ästhet Dermatol Kosmetol 2017; 9: 15.
  8. Glinski C, Rott P (2019). Regulating Certification Bodies in the Field of Medical Devices: The PIP Breast Implants Litigation and Beyond. European Review of Private Law 2019; 27(2): 403-428.
  9. Gödde S (2017). Gesetzesvorschriften der europäischen Union zu Medizinprodukten. München, GRIN Verlag 2017.
  10. Lampert FM, Schwarz M, Grabin S, Stark GB (2012). The “PIP scandal” – Complications in Breast Implants of Inferior Quality: State of Knowledge, Official Recommendations and Case Report. Geburtshilfe Frauenheilkd 2012; 72(3): 243-246.
  11. Maisel WH (2004) Medical Device Regulation: An Introduction for the Practicing Physician. Ann Intern Med. 2004; 140: 296-302.
  12. McAllister P, Jeswiet J (2003). Medical device regulation for manufacturers. Proc Inst Mech Eng H. 2003; 217(6): 459-67.
  13. McCulloch P (2012). The EU’s system for regulating medical devices BMJ 2012; 345 :e7126.
  14. Mellert F, Mallek D (2009) Medizinprodukte und Patientensicherheit aus der Perspektive des Klinikers. Bundesgesundheitsbl. (2009) 52: 584.
  15. Menean F, Menean N, Rometsch F et al. (2020). Maßnahmen zur Umsetzung der europäischen Medical Device Regulation bei klein- und mittelständischen Herstellern von Medizinprodukten. In: Pfannstiel M, et al. (eds) Consulting im Gesundheitswesen 2020. Springer Gabler, Wiesbaden.
  16. Schonhoff M, Heinze A, Carrillo J et al. (2019). Development and manufacturing of a custom made implant regarding the new European Medical Device Regulation. Current Directions in Biomedical Engineering 2019; 5(1): 253-256.
  17. Schrappe M (2005). Patientensicherheit und Risikomanagement. Med Klin 2005; 100; 478-485.
  18. Sorenson C, Drummond M (2014). Improving Medical Device Regulation: The United States and Europe in Perspective. Milbank Quarterly 2014; 92: 114-150.
  19. Veira-Schnitzler S (2012). Empfehlungen für das strategische Marketing von Medizinprodukten. Der zweite Medizintechnik Monitor identifiziert Schwächen und verwandelt sie in Potenziale. 2012: 1-3. Online zugegriffen am 27.12.2019: https://www.medtech-pharma.de/userdir/cms/docs/infoletter/2012-4/120828_healiz__PM_Medizintechnik_V2.pdf.
  20. von Merzljak S (2017). MDR: Mehr Patientensicherheit gleich weniger innovative Entwicklungen? Merzljak Healthcare Marketing 2017. Online zugegriffen am 27.12.2019: https://www.merzljak.de/healthcare-marketing-blog/eu-medizinprodukteverordnung-mdr-chancen-risiken.

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