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THERAPY Magazin
Medizinische Rehabilitation in der Ukraine: Fortschritt unter widrigen Umständen

Trotz Krieg entwickelt sich Czernowitz zu einem führenden Zentrum für medizinische Rehabilitation in der Ukraine. Erfahren Sie, wie interdisziplinäre Ansätze, moderne Technologien und internationale Kooperationen die Versorgung prägen.

Author
Lars Timm
International Sales Account Manager, THERA-Trainer
Innovative Rehabilitation in Zeiten des Umbruchs: Wie die ukrainische Stadt Czernowitz sich als medizinisches Zentrum etabliert und trotz Herausforderungen neue Wege in der Versorgung von Patienten geht
Czernowitz, eine Stadt mit reicher Ge­schichte und akademischer Tradition in der Westukraine, entwickelt sich zunehmend zu einem bedeutenden Zentrum der medi­zinischen Rehabilitation. Die aktuelle geo­politische Lage und die wachsende Zahl von Patienten mit komplexen Verletzungsfolgen, insbesondere durch den anhaltenden Krieg, haben die Nachfrage nach spezialisierten Re­habilitationsleistungen erheblich erhöht. In dieser herausfordernden Situation kommt dem Rehabilitationszentrum eine Schlüssel­rolle zu: Es bietet umfassende Behandlungsmöglichkeiten für Menschen mit neuro­lo­gischen, orthopädischen und posttraumatischen Einschränkungen und vereint dabei mo­dernste medizinische Ansätze mit einem interdisziplinären Therapieansatz.
Czernowitz entwickelt sich zu einem wichtigen Reha-Zentrum in der Ukraine.
Interdisziplinäre Ansätze und neue Technologien

Ein hochqualifiziertes Team aus Fachkräften ver­schiedener Disziplinen arbeitet daran, individuelle Therapiepläne zu gestalten und effektive Be­handlungskonzepte umzusetzen. Neben klassischen phy­siotherapeutischen und ergotherapeutischen Maßnahmen werden zunehmend auch technische Lösungen integriert, um die Rehabilitation ge­zielter und effizienter zu gestalten. Gleichzeitig stellt die Weiterentwicklung der rehabilitativen Ver­sorgung das Zentrum vor Herausforderungen –
von strukturellen und finanziellen Rahmenbe-dingungen bis hin zur Ausbildung und Spezia­lisierung der Fachkräfte. Trotz dieser Herausforderungen gelingt es dem Zentrum, durch gezielte Kooperationen, strate­gische Investitionen und den stetigen Aus­tausch mit internationalen Experten die Versor­gungsqualität kontinuierlich
zu verbessern. Ein Blick auf die aktuellen Ent­wicklungen zeigt, wie das Rehabilitationszentrum in Czernowitz den Spagat zwischen medizinischem
Fortschritt und realen Herausforderungen meistert und sich als wegweisende Institution in der re­habilitativen Medizin etabliert.
Interdisziplinäre Ansätze und moderne Technologien sollen die Therapie verbessern.
Herausforderungen bei der Fachkräfteausbildung

Da der Beruf des Physiotherapeuten und Ergo­therapeuten in der Ukraine noch vergleichsweise jung ist, besteht eine hohe Nachfrage nach qualifizierten Fachkräften. Die Ausbildung orien­tiert sich an den Vorgaben des Bildungsministeriums und umfasst ein vierjähriges Grundstudium, das eine solide theoretische und praktische Basis ver­-
mittelt. Im Anschluss daran können sich Absol­­venten in einem zweijährigen Zusatzstudium weiter spezialisieren. Dabei haben sie die Mög­lichkeit, durch gezielte Zusatzkurse vertiefte Kennt­nisse in spezifischen Fachgebieten zu erwerben. Während sich die Physiotherapie in den letzten Jahren stetig professionalisiert hat, befindet sich die Ergotherapie noch im Aufbau und gewinnt zunehmend an Be­deutung.

Um den hohen Bedarf an qualifiziertem Per­sonal zu decken und eine praxisnahe Ausbildung sicher­zustellen, arbeitet das Rehabilitationszentrum in Czernowitz eng mit der Nationalen Medizinischen Universität Yuriy Fedkovych und der Bukowinischen Staatlichen Medizinischen Universität zusammen. Diese Kooperation ermöglicht es Studierenden, frühzeitig praktische Erfahrung zu sammeln und sich gezielt auf die Herausforderungen des Berufs vorzubereiten. Gleichzeitig profitieren sowohl Stu­dierende als auch Fachkräfte von einem stetigen Austausch mit Wissenschaft und Forschung. Durch diese enge Vernetzung gelingt es, moderne reha­bilitative Ansätze weiterzuentwickeln und inno-vative Behandlungsmethoden in die Praxis zu integrieren, wodurch die Qualität der rehabili­tativen Versorgung kontinuierlich verbessert wird.
Herausforderungen in der Rehabilitation

Moderne gerätegestützte Therapie spielt natürlich auch in der Ukraine eine zunehmend zentrale Rolle. Die wissenschaftliche Evidenz belegt eindeutig den Nutzen technologiebasierter Rehabilitation, und es besteht kein Zweifel daran, dass innovative Rehabilitationstechnologien heute ein fester Be­standteil zeitgemäßer Behandlungskonzepte sind. Durch den gezielten Einsatz moderner Geräte lassen sich funktionelle Fortschritte effektiver fördern, Therapieergebnisse objektiv messen und individualisierte Behandlungspläne erstellen.

Die Integration dieser Technologien in die reha­bilitative Versorgung erfordert jedoch eine sorg­fältige und vorausschauende Planung. Angesichts der vorhandenen Rahmenbedingungen müssen In­vestitionen gezielt und schrittweise erfolgen, um Ressourcen optimal einzusetzen und die Thera­pie­qualität nachhaltig zu verbessern. Neue Geräte werden deshalb mit Bedacht ausgewählt, wobei der Schwerpunkt darauf liegt, bestehende Behand­lungskonzepte sinnvoll zu erweitern, ohne die strukturellen und finanziellen Möglichkeiten zu überfordern.

Neben der Anschaffung innovativer Systeme ist auch die Schulung der Fachkräfte essenziell, damit die verfügbaren Technologien effizient genutzt werden können. Da umfassende Modernisierungen nicht auf einen Schlag umsetzbar sind, setzt das Zentrum auf einen kleinschrittigen, pragmatischen Ansatz: Bewährte Methoden werden gezielt mit neuen Ansätzen kombiniert, technische Lösungen in die bestehenden Prozesse integriert und jeder Fortschritt strategisch geplant. Dieser präzise und nachhaltige Entwicklungsprozess ermöglicht es, moderne Rehabilitationstechnologien unter den gegebenen Umständen bestmöglich einzusetzen und die Versorgung kontinuierlich zu verbessern.
Internationale Kooperationen und Unterstützung durch Partnerstädte

Gleichzeitig hat die Ukraine während des an­dauernden Krieges wertvolle Erfahrungen im in­ternationalen Austausch gesammelt und bedeu­tende materielle Unterstützung erhalten. Neue Rehabilitationsgeräte, spezialisierte Schulungspro­gramme für Fachkräfte und die enge Zusam­men­arbeit mit europäischen Experten haben dazu bei­getragen, moderne Behandlungsansätze schneller in die Praxis zu überführen. Diese Entwicklungen ermöglichen nicht nur eine gezielte Verbesserung der Versorgungsqualität, sondern auch den schritt­weisen Ausbau der rehabilitativen Strukturen im Land.

Eine entscheidende Rolle spielte dabei die Part­nerstadt Mannheim, die den Aufbau einer neuen Poliklinik im Herzen der Stadt unterstützte. Durch eine Hilfslieferung aus Deutschland wurde die Klinik mit modernster Medizintechnik führender europäischer Hersteller ausgestattet, darunter der Gangtrainer „Lyra“ von THERA-Trainer. Im August reisten zwei Fachkräfte nach Czernowitz, um die Geräte zu installieren, in Betrieb zu nehmen und das Personal vor Ort zu schulen.
Der Fachkräftemangel bleibt eine der größten Herausforderungen.
Zusätzlich erhielten die Klinikmitarbeiter die Möglichkeit, an Produktschulungen in Deutschland teilzunehmen – organisiert durch die Stadt Mannheim.

Langfristig trägt dieser Fortschritt dazu bei, die Therapiequalität weiter zu steigern und innovative Methoden nachhaltig in den klinischen All­tag zu integrieren. Gleichzeitig fördert der Wissens­austausch mit internationalen Partnern die Pro­-fessionalisierung des Rehabilitationssektors und schafft neue Perspektiven für die therapeutische Arbeit in der Ukraine.
Aktueller Fokus auf die Rehabilitation von Militärpersonal

Obwohl das Rehabilitationszentrum auch Zivil­patienten betreut, liegt der Schwerpunkt auf der Behandlung von Militärpersonal. Seit Beginn des Krieges arbeiten die Physiotherapeuten intensiv mit Soldaten, die unter den Folgen von Minen­explosionen, Neuropathien der oberen und unteren Extremitäten sowie Gelenkkontrakturen nach langwieriger Immobilisation und Opera­tionen leiden. Neben den physischen Einschrän­kungen stehen viele Patienten vor psychischen Her­ausforderungen wie Angst- und Depres­sionsstö-rungen, Apathie oder gelegentlicher Aggressivität. Besonders häufig treten posttrau­matische Be­lastungsstörungen (PTBS) auf, die eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Phy­siotherapie, Ergotherapie und Psychologie er­fordern.

Ein umfassender rehabilitativer Ansatz ist entscheidend, um den Betroffenen eine bestmögliche Rückkehr in den Alltag zu ermöglichen. Dabei spielen modernste Therapieansätze und der kon­tinuierliche Austausch mit internationalen Experten eine zentrale Rolle. Der direkte Wissenstransfer mit Rehabilitationsspezialisten aus dem Osten der Ukraine ist bislang eine Herausforderung, doch das Zentrum arbeitet aktiv daran, Netzwerke zu erweitern und Kooperationen zu fördern, um Erfahrungen und bewährte Methoden gezielt zu teilen und weiterzuentwickeln.
Internationale Koopera­tionen unterstützen den medizinischen Fortschritt vor Ort.
In der aktuellen Kriegssituation hat sich die Re­habilitationsarbeit insbesondere auf spezifische Verletzungen und Erkrankungen konzentriert. Die Nachbehandlung von Operationen am musku­loskelettalen System erfordert gezielte physio­therapeutische Maßnahmen zur Förderung der Heilung und Wiederherstellung der Funktionalität. Besonders herausfordernd sind die Folgen von Minenexplosionsverletzungen, da komplexe Weich­teil- und Knochenverletzungen häufig mit be­gleitenden Nerven- oder Gefäßschädigungen ein­hergehen. Eine weitere zentrale Aufgabe be­steht in der Rehabilitation nach transtibialen und transfemoralen Amputationen, wobei die An­passung an Prothesen, das Erlernen neuer Bewe­gungs­muster und die Schmerzkontrolle wesent­liche Bestandteile der Therapie sind. Auch erworbene Mono- und Polyneuropathien der oberen und unteren Extremitäten erfordern spezialisierte neurophysiologische Behandlungen, um senso­rische und motorische Funktionen bestmöglich wiederherzustellen. Gelenkkontrakturen infolge verlängerter Immobilisation stellen eine weitere Herausforderung dar, die durch individuelle Be­-wegungstherapie und manuelle Techniken gezielt behandelt wird, um die Mobilität schrittweise zu verbessern und die Gelenkfunktion wieder­herzustellen.

Neben der physischen Rehabilitation wird großer Wert auf die psychologische Betreuung gelegt. Viele Soldaten stehen nicht nur vor körperlichen, sondern auch vor tiefgreifenden psychischen Herausforderungen. Daher werden zunehmend ganzheitliche Rehabilitationsansätze implementiert, die neben der medizinischen Versorgung auch psychosoziale Unterstützung bieten und die Pa­tienten eng in den Reintegrationsprozess begleiten.
Bedeutung und Zukunft der Rehabilitation in der Ukraine

Das Rehabilitationszentrum verfolgt klare lang­fristige Ziele, um die Versorgungsqualität weiter zu steigern und den Patienten bestmögliche Unter­stützung zu bieten. Ein zentrales Anliegen ist die erfolgreiche Wiedereingliederung von Militär­-personal in das zivile Leben. Durch den gezielten Einsatz innovativer Therapieansätze und modern­ster Technologien soll nicht nur die körperliche Funktionsfähigkeit verbessert, sondern auch die psychische Stabilität gefördert werden. Die Kom­bination aus individueller Rehabilitation, sozialer Reintegration und psychologischer Betreuung bildet die Grundlage für eine nachhaltige Ge­nesung.
Gegenwärtig steht vor allem die Rehabilitation von Militärpersonal im Fokus der Versorgung.
Ein weiteres wichtiges Ziel ist die gezielte Er­weiterung des Fachpersonals im Bereich der Phy­-siotherapie und Ergotherapie. Da der Bedarf an spezialisierten Therapeuten stetig wächst, setzt das Zentrum auf eine enge Zusammenarbeit mit aka­demischen Einrichtungen sowie auf gezielte Fort-und Weiterbildungsmaßnahmen. Dies gewährleis­tet eine kontinuierliche Professionalisierung und ermöglicht es, neueste wissenschaftliche Erkennt­nisse direkt in die Praxis zu integrieren.

Darüber hinaus wird die Ausweitung des Angebots an Rehabilitationsdienstleistungen vorangetrieben. Die Einführung neuer Technologien eröffnet zu­sätzliche Behandlungsmöglichkeiten und verbessert die Qualität der Therapie. Durch den gezielten Einsatz apparativer Unterstützung können Reha­bilitationsprozesse noch individueller und effi­zienter gestaltet werden. Schritt für Schritt arbeitet das Zentrum daran, sich als führende Institution für rehabilitative Medizin in der Region zu eta­-
blieren und den hohen Anforderungen an eine moderne, patientenzentrierte Versorgung gerecht zu werden.
Fazit

Das Rehabilitationszentrum in Czernowitz leistet eine unverzichtbare Arbeit, insbesondere in der Versorgung von Militärpersonal mit muskulo­skelettalen und neurologischen Verletzungen. Trotz Herausforderungen in Bezug auf Ausstattung und Fachkräftemangel konnten durch internationale Kooperationen bereits erhebliche Fortschritte er­zielt werden. Langfristig liegt der Fokus darauf, innovative Technologien zu implementieren und die Ausbildung von Fachkräften in der Reha­bilitation weiter voranzutreiben, um den stei­genden Bedarf an qualitativ hochwertigen Reha­bilitationsdienstleistungen zu decken.

Darüber hinaus besteht die Hoffnung, dass die Rehabilitation in der Ukraine in Zukunft nicht mehr vorrangig durch die Folgen des Krieges bestimmt wird. Perspektivisch soll das Zentrum über die Versorgung verletzter Soldaten hinaus einen nachhaltigen Beitrag für die gesamte ukrainische Gesellschaft leisten. Ziel ist es, lang­­fristig als führendes Kompetenzzentrum für Rehabilitation zu fungieren, das Menschen un­abhängig von ihrer Vorgeschichte unterstützt – sei es nach Unfällen, Krankheiten oder Operationen. Die Fort­schritte, die unter den derzeitigen Her­ausforde­rungen erzielt werden, legen das Fundament für eine Zukunft, in der moderne Rehabilitationsmedizin ein integraler Bestandteil der Gesund­heitsversorgung ist und Betroffene auf ihrem Weg zur bestmöglichen Genesung begleitet.
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Author
Lars Timm
International Sales Account Manager, THERA-Trainer
Lars Timm studierte Sportwissenschaften mit dem Schwerpunkt Rehabilitation in Freiburg i.Br. und M.Sc. Sportingenieurswesen am KIT Karlsruhe.
Author
Jakob Tiebel
Inhaber, N+ Digital Health Agency
Jakob Tiebel Studium in angewandter Psychologie mit Schwerpunkt Gesundheitswirtschaft. Klinische Expertise durch frühere therapeutische Tätigkeit in der Neurorehabilitation. Forscht und publiziert zum Theorie-Praxis- Transfer in der Neurorehabilitation und ist Inhaber von Native. Health, einer Agentur für digitales Gesundheitsmarketing.
References: