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THERAPY Magazin
Physiotherapie: Der unterschätzte Schlüssel für eine gesündere Gesellschaft

Neue Studien zeigen: Physiotherapie wird im Gesundheitssystem unterschätzt. Direktzugang, präventive Maßnahmen und Digitalisierung könnten die Versorgung revolutionieren – wenn Politik und Strukturen mitziehen.

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Warum der Gesundheitsberuf neue Impulse von außen braucht – Erkenntnisse aus zwei aktuellen Studien
Die Physiotherapie in Deutschland steht an einem Scheideweg: Sie könnte eine der tragenden Säulen eines modernen Gesund­heitssystems sein, doch stattdessen kämpft sie mit veralteten Strukturen, fehlender politischer Anerkennung und einem System, das Prävention immer noch als Nebensache betrachtet.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: 35,8 Millionen physiotherapeutische Leistungen wurden 2022 erbracht, 254 Millionen Einzelbehandlungen fanden statt.[1] Dies jedoch nicht, weil das System so gut funktioniert, sondern weil es viel zu spät greift. Statt Beschwerden zu verhindern, wird die Physiotherapie erst dann verordnet, wenn Patienten bereits mit Schmerzen kämpfen und oft gar nicht mehr wissen, wann und wo diese begonnen haben. Das ist nicht zukunftsfähig.

Die PhysioStudie 2025–2035 und die ergänzende Ärzte- und Patientenbefragung der opta data Zukunfts-Stiftung zeigen, woran es hakt – und was sich dringend ändern muss. Beide Studien sind von der opta data Zukunfts-Stiftung in Kooperation mit dem Institut für Zukunftspsychologie und Zukunftsmanagement an der Sigmund Freud
PrivatUniversität Wien initiiert und durchgeführt worden. Die erstgenannte Studie baut auf einem Mixed-Method-Ansatz auf, der qualitative Inter-views mit über 60 Experten und eine quantitative Befragung von rund 1.900 Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten kombiniert. Die zweite Studie ist eine Online-Umfrage, an der insgesamt 116 Personen (Ärzte und Patienten) teilgenommen haben und die sich als Ergänzung zur PhysioStudie versteht.
Direktzugang: Patienten wollen ihn – das System blockiert

97,17 % der befragten Patienten fordern, dass sie Physiotherapie direkt und ohne ärztliche Verordnung als Kassenleistung in Anspruch nehmen dürfen. Das bedeutet: Sie wollen Verantwortung für ihre Gesundheit übernehmen, doch das System erlaubt es ihnen nicht. Die Hürden sind enorm:

55,26 % der Patienten berichten, dass sie Schwierigkeiten hatten, überhaupt eine Verordnung zu bekommen.

35,96 % fanden keine passende Praxis oder mussten so lange auf einen Termin warten, dass sich ihr Zustand verschlechterte.

62,79 % der befragten Patienten warteten über drei Wochen auf die erste Behandlung – eine Zeitspanne, in der Schmerzen chronisch werden können.
67,39 % der befragten Physiotherapeuten nehmen wahr, dass die Patienten angesichts des Krank­heitsverlaufs viel zu spät gesichtet werden.

Für 64,84 % steht außerdem fest, dass eine frühzeitige Physiotherapie eine Operation hätte vermeiden können.

In Ländern wie den Niederlanden, Schweden oder Großbritannien ist der Direktzugang zur Physiotherapie längst Realität – mit positiven Aus­wirkungen auf die Patientenversorgung, die Behandlungsdauer und die Kosten des Gesundheitssystems. Warum hält Deutschland also noch an überholten Strukturen fest?

85,06 % der befragten Physiotherapeuten, die an der Online-Befragung teilgenommen haben, sehen sich fachlich in der Lage, eine adäquate Diagnose zu stellen. Das in der Ausbildung erworbene Wissen sollte genutzt und wertschätzend im System eingebracht werden. Eine zukunftsgerichtete Gesundheitsversorgung sollte den Direktzugang ermöglichen, damit Patienten frühzeitig behandelt werden, anstatt unnötig lange zu leiden, auf medikamentöse Lösungen ausweichen zu müssen oder im schlimmsten Fall eine Chronifizierung bzw. Multimorbidität zu entwickeln.
Prävention bleibt ein ungenutztes Potenzial

Ein weiteres zentrales Ergebnis der Studien ist die mangelnde Nutzung präventiver physiotherapeutischer Maßnahmen. Während Physiothe-rapie überwiegend zur Rehabilitation eingesetzt wird, bleibt die Prävention von Erkrankungen eine Randerscheinung – obwohl Patienten bereit wären, sie in Anspruch zu nehmen. In diesem Bereich sollten vor allem von den Versicherungen und der Gesundheitspolitik Anreize ins Spiel gebracht werden.
97,17 % der befragten Patienten fordern, dass sie Physiotherapie direkt und ohne ärztliche Verordnung als Kassenleistung in Anspruch nehmen dürfen.
86,36 % der befragten Patienten geben an, präventive Physiotherapie nutzen zu wollen, selbst wenn sie keine akuten Beschwerden haben.

67,21 % der Physiotherapeuten geben an, dass sie eine fehlende Gesundheitskompetenz in der Gesellschaft wahrnehmen und gesellschaftliche Anreizsysteme fehlen, um Prävention zu betreiben (59,01 %).

52,45 % sind der Meinung, dass das Gesund­heitssystem den Fokus auf Kranksein statt auf Gesunderhalt legt.

65,57 % sehen die Berufsmission in der Rolle eines Patientenedukators.

Die wirtschaftlichen Vorteile präventiver Maß­nahmen beispielsweise im Bereich der Rücken-gesundheit sind erheblich. Laut einer Analyse des Deutschen Instituts für Medizinische Doku­mentation und Information (DIMDI) können durch betriebliches Gesundheitsmanagement und präventive Interventionen signifikante Einspa­rungen erzielt werden. Der HTA-Bericht 144 des DIMDI hebt hervor, dass präventive Maßnahmen nicht nur die Gesundheit der Beschäftigten fördern, sondern auch die Produktivität steigern und krankheitsbedingte Ausfälle reduzieren können.[2]

Zudem betont der Bericht „Zukunftsmarkt Prä­vention“ der FutureManagementGroup AG die Be­deutung präventiver Ansätze im Gesundheits­system.
35,8 Millionen physiotherapeutische Leistungen wurden 2022 erbracht, 254 Millionen Einzelbehandlungen fanden statt.
Durch frühzeitige Interventionen und Gesundheitsförderung können langfristig erheb­­liche Kosten eingespart und die Effizienz des Ge­sundheitssystems gesteigert werden.[3] Ge­nauere Zahlen lassen sich wegen der Komplexität des Systems nicht ermitteln. Mit der Physiothera­pie und den dahinterliegenden Beschwerden sind zu viele Schnittstellen verbunden, die an der Genesung eines Menschen beteiligt sind. Fest steht aber: Eine Umstellung hin zu einer stärker präventiven Ausrichtung könnte nicht nur die Lebensqualität der Patienten verbessern, sondern auch die Belastung des Gesundheitssystems langfristig verringern.
Digitalisierung: Wunsch nach Innovation

Die Digitalisierung der Physiotherapie bietet große Chancen, wird jedoch von vielen Patienten noch zurückhaltend bewertet. Die PhysioStudie 2025–2035 zeigt, dass 88,52 % der Physiotherapeuten in der KI-gestützten Behandlung eine wertvolle Ergänzung zur klassischen Face-to-face-Thera­pie sehen, vor allem aus Kontroll- und Intensivie­rungsanreizen. Moderne Wearables, die Bewe­gungsmuster analysieren und in Echtzeit Feedback geben, können Therapiepläne personalisieren und optimieren. Doch trotz dieser technologischen Fortschritte zeigen sich Patienten skeptisch:

77,3 % der befragten Patienten bewerten den persönlichen Kontakt mit ihrem Physiotherapeuten als „sehr wichtig“/„wichtig“.

Obwohl 71,43 % der befragten Ärzte eine inten­sivere Zusammenarbeit befürworten würden, scheitert es an der Umsetzung.

86,62 % der be­fragten Physiotherapeuten geben an, dass die intersektorale Zusammenarbeit zu gering ausfällt. Im Alltag ist ein Miteinander scheinbar schwer umsetzbar – hier fehlen Lösungsansätze und eine gemeinsame Sprache des Miteinanders und Ziels.
optaVita: Zukunftsfähigkeiten für eine moderne Gesundheitsversorgung

Die Ergebnisse der beiden Studien zeigen, dass sich das Gesundheitswesen in einem fundamentalen Wandel befindet. Digitalisierung, Prävention und interdisziplinäre Zusammenarbeit sind nicht nur Schlagwörter, sondern entscheidende Faktoren für die Zukunftsfähigkeit der Physiotherapie und anderer Gesundheitsberufe. Doch Veränderung braucht nicht nur strukturelle Reformen – sie erfordert vor allem ein neues Mindset. Hier setzt das Workshop-Konzept optaVita an. Es ist ein Zukunftstraining für alle, die sich in einer immer komplexeren (Gesundheits-)Welt zurechtfinden und aktiv mitgestalten wollen. Die Trainings basieren auf den Erkenntnissen der Zukunftspsychologie und vermitteln essenzielle Zukunfts­fähigkeiten, um Veränderungsprozesse nicht nur zu verstehen, sondern selbst voranzutreiben und vor allem nicht von der Konkurrenz und laufen­den Veränderungen abgehängt zu werden.
Warum Zukunftsfähigkeiten entscheidend sind

Wir stehen an der Schwelle zu einer Ära, in der Gesundheitsberufe und ihre Kunden stärker vernetzt, technologischer und interdisziplinärer arbeiten müssen. Doch was nützt die beste Technik, wenn es an einer gemeinsamen Sprache fehlt? Zukunftsfähigkeiten sind der Schlüssel, um nicht nur fachliche Kompetenz, sondern auch Resilienz und Präsilienz, Flexibilität und Innovationskraft zu entwickeln. Genau hier setzt optaVita an. Denn das ist sicher: Die Gesundheitsbranche verändert sich. Die Frage ist nicht ob, sondern wie wir diesen Wandel nutzen. Zukunft ist gestaltbar – mit den richtigen Fähigkeiten, dem richtigen Wissen und der richtigen Haltung.
Die Digitalisierung der Physiotherapie bietet große Chancen. Zukunftsfähigkeit ist der Schlüssel, um nicht nur fachliche Kompetenz, sondern auch Resilienz und Präsilienz, Flexibilität und Innovationskraft zu entwickeln.
Die Physiotherapie als Schlüssel für ein zukunfts­fähiges Gesundheitssystem

Die Studienergebnisse zeigen deutlich, dass die Physiotherapie als eigenständiger Gesundheitsberuf weiterentwickelt werden muss, um den steigenden Anforderungen gerecht zu werden. Drei zentrale Maßnahmen sind dabei entscheidend:

Direktzugang ermöglichen: Patienten sollten Physio­therapie direkt in Anspruch nehmen können, ohne auf eine ärztliche Verordnung angewiesen zu sein.
Prävention stärken: Physiotherapeutische Maß­-nahmen müssen stärker in die gesundheitspolitische Planung integriert und finanziell gefördert werden.
Digitalisierung gezielt nutzen: Technologie muss so eingesetzt werden, dass sie die persönliche Betreuung ergänzt und die Versorgung effizienter macht.

Die Physiotherapie hat das Potenzial, eine zentrale Säule der Gesundheitsförderung und Prävention zu werden. Doch dies erfordert politische Reformen, strukturelle Anpassungen und eine Neuausrichtung der Versorgungsmodelle. Mit den richtigen Weichenstellungen kann die Physiotherapie zu einem entscheidenden Faktor für ein zukunftsfähiges Gesundheitssystem werden – im Interesse der Patienten, der Physiotherapeuten und der gesamten Gesellschaft.
85,06 % der befragten Physiotherapeuten, die an der Online-Befragung teilgenommen haben, sehen sich fachlich in der Lage, eine adäquate Diagnose zu stellen.
Ambulante Rehabilitation
Fachkreise
Stationäre Rehabilitation
THERAPY 2025-I
THERAPY Magazin
Wissenschaft
References:
  1. Vgl. hierzu die aktuellen Zahlen des GKV-Spitzen­verbandes, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und des Statis­tischen Bundesamtes (Destatis).
  2. Vgl. Rosian-Schikuta, Ingrid/Anja Laschhkolnig/Sarah Ivansits 2021: Betriebliches Gesundheitsmanagement. Köln: Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) (= Schriften- reihe Health Technology Assessment, Bd. 144). https://portal.dimdi.de/ de/hta/hta_berichte/hta463_bericht_de.pdf [abgerufen am 04.02.2025].
  3. Vgl. Abuschuscha, Fuád 2015: Zukunftsmarkt Prävention: Heute das Gesundheitssystem von morgen denken. Eltville: Future­Management- Group AG (= Market Foresights). https://www.futuremanagementgroup.com/ wp-content/uploads/2017/01/MF_Zukunftsmarkt-Praevention.pdf [abgerufen am 04.02.2025].