Etwa eine halbe Million Amerikaner sind chronisch nierenkrank und benötigen regelmäßig eine Hämodialyse (HD), um Abfallstoffe aus ihrem Blut zu filtern. Die Zahl der HD-Patienten in Amerika entspricht der vieler europäischer Länder, und ein beträchtlicher Anstieg bis 2040 wird prognostiziert. Bewegungstraining während der HD zeigt vielversprechende Ergebnisse bei der Verbesserung der Lebensqualität und der Verringerung von Krankenhausaufenthalten. Intradialytischer Sport hat nachweislich positive Auswirkungen auf die Dialyseadäquanz, Müdigkeit, Depression und Lebensqualität. Die DiaTT-Studie liefert wichtige Erkenntnisse über die Wirksamkeit von intradialytischem Training, aber Barrieren für die praktische Umsetzung müssen überwunden werden.
Die meisten Patienten erhalten die Dialyse über einen direkten Zugang zur Blutbahn. Dies kann ein zentraler Venenkatheter, eine arteriovenöse Fistel oder ein synthetisches arteriovenöses Transplantat sein. Die meisten Patienten entscheiden sich für eine stationäre HD-Behandlung, die üblicherweise dreimal wöchentlich stattfindet und durchschnittlich 4 Stunden dauert. Begleitend müssen sich die Patienten an strenge Flüssigkeits- und Ernährungsrichtlinien halten, um ihr Herz-Kreislauf-System, ihre Knochen und ihre Muskelmasse zu schützen. Darüber hinaus haben HD-Patienten nachweislich Probleme mit ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit, weshalb sich in den letzten zehn Jahren die Ansicht durchgesetzt hat, dass HD-Patienten möglichst viel bewegen und Sport treiben sollten – und zwar nicht nur vor bzw. nach, sondern insbesondere auch während der HD.
Bedingt durch die Folgen und Begleiterkrankungen steigt das Risiko eines Krankenhausaufenthalts. Ein typischer HD-Patient verbringt durchschnittlich 11 Tage pro Jahr im Krankenhaus. Zudem haben HD-Patienten ein um 37% höheres Risiko, innerhalb eines Monats erneut ins Krankenhaus eingewiesen zu werden. Wiederkehrende Krankenhausaufenthalte setzen eine Negativspirale in Gang. Sie führen zu weiterem Muskelschwund, der zusammen mit einer geschätzten Immobilisierung von 4 bis 6 Wochen pro Jahr zu einem noch stärkeren Rückgang der körperlichen Leistungsfähigkeit beiträgt [4,23].
Die Steigerung des Aktivitätsniveaus wird somit zu einer der vielversprechendsten Lösungen, um Muskelschwund und damit verbundenen verminderten körperlichen Funktionen entgegenzuwirken. Das Mittel der Wahl: Regelmäßiges Bewegungstraining, welches entweder extradialytisch (außerhalb der Dialysebehandlung) oder intradialytisch (während der Dialyse) durchgeführt wird. Aus Berichten geht hervor, dass extradialytisches Training zwar größere Vorteile in Bezug auf die körperliche Leistungsfähigkeit und die funktionellen Fähigkeiten mit sich bringen kann, dass aber die Compliance im Vergleich zu intradialytischen Maßnahmen geringer ist.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich die Dialyseadäquanz vor allem dann verbessert, wenn unmittelbar während der HD Sport getrieben wird. Intradialytisches Radfahren kann die Durchblutung der arbeitenden Beinmuskulatur erhöhen. Dadurch wird der eingeschlossene Harnstoff (und andere Toxine) aus den Muskelkompartimenten in den Blutkreislauf transportiert, um während der HD effektiv herausgefiltert werden zu können [12,22].
Zudem zeigen die Forschungsergebnisse Verbesserungen in Bezug auf Müdigkeit, Depression, Lebensqualität, Schlaf, Entzündungen und Krankenhausaufenthalte [1,15,17,19,21,30]. Obwohl die Methoden sehr unterschiedlich sind und die Aussagekraft bei kleinen Probandengruppen in der Regel gering ist, geht der allgemeine Konsens in der Literatur in die Richtung, dass intradialytischer Sport zumindest besser ist, als die völlige Passivität während einer mehrstündigen HD. Wenngleich eine künftige Verlagerung hin zu größeren, multizentrischen Studien mit präzisen Trainingsintensitäten und -dauern die Aussagekraft der Erkenntnisse über intradialytisches Training noch erhöhen muss [21].
Einen wichtigen Beitrag zum Wirksamkeitsnachweis von intradialytischem Sport leistet eine Arbeitsgruppe um Stefan Degenhardt und Kirsten Anding-Rost aus Deutschland, mit der multizentrischen DiaTT Studie [29]. Die Abkürzung DiaTT steht für Dialyse Trainings-Therapie. Im Gegensatz zur bisherigen Versorgung in Deutschland und anderen Ländern Europas und der Welt wird im DiaTT Studiendesign konsequent ein individuelles körperliches Trainingsprogramm während jeder Hämodialyse integriert.
Ziel der DiaTT Studie war es, die Auswirkungen eines 12-monatigen intradialytischen Trainingsprogramms auf die körperliche Funktionsfähigkeit, die Gebrechlichkeit und die Gesundheitsökonomie in einer großen Kohorte von HD-Patienten in einem realen Umfeld zu untersuchen. Bei der DiATT handelte es sich um eine prospektive, cluster-randomisierte (1:1), kontrollierte, multizentrische, klinische Interventionsstudie in 28 Dialyseeinheiten mit dem Ziel der Rekrutierung von >1100 HD-Patienten. Die DiaTT ist damit die zur Zeit größte randomisierte, kontrollierte Studie zur Bewertung von Gebrechlichkeit, Lebensqualität und Sterblichkeit im Bereich der Nephrologie, da fast so viele Patienten einbezogen wurden, wie zuvor gesamt in kleineren Studien untersucht wurden.
Die Ergebnisse der DiaTT Studie, die im Sommer 2023 veröffentlicht wurde, untermauert drastisch die bisherige Vermutung, dass sportliche Betätigung während der Dialyse die Mobilität, Lebensqualität und medizinische Parameter verbessert und die Maßnahmen gleichzeitig zu einer Senkung ambulanter und stationärer Krankheitskosten beitragen. Gestartet wurde die Studie im Jahr 2018. Im Januar 2020 wurde der Patienteneinschluss in allen beteiligten Zentren beendet. Tatsächlich konnten rund 1.350 Patienten in diese großangelegte Studie eingeschlossen werden.
Finanzierungsprobleme, die Arbeitsbelastung des Personals und der Mangel an Geräten wurden als Haupthindernisse für die Durchführung von intradialytischen Übungsprogrammen genannt. Weitere Bedenken betreffen die Sicherheitsvorstellungen von Nephrologen und unzureichende Kenntnisse über das Thema Bewegung [16,26,31]. Interessanterweise stellten Delgado und Johansen [5] in einer Umfrage unter 198 Nephrologen fest, dass 100% der Befragten körperliche Aktivität für ihre Patienten für wichtig hielten; 35% glaubten jedoch nicht, dass ihre Patienten einem Gespräch über körperliche Betätigung offen gegenüberstehen würden. Ironischerweise gaben in einer Studie derselben Autoren zwei Jahre später nur 4% der Patienten mit Niereninsuffizienz an, dass sie an diesem Thema nicht interessiert seien. Diese Patienten waren fest davon überzeugt, dass Bewegung wichtig ist, und 93% gaben an, dass sie wahrscheinlich mehr Sport treiben würden, wenn ihr Arzt oder eine medizinische Fachkraft sie bei der Einnahme dieser „Medizin“ anleiten würde [6].
Die Erkenntnisse deuten darauf hin, dass die Herausforderungen eher in der Wahrnehmung des Personals und nicht in der Meinung der Patienten über Bewegung liegen. Es ist davon auszugehen, dass viele Patienten intradialytischen Sport als willkommene Ablenkung betrachten, die ihr Selbstwertgefühl und ihre Fähigkeit, aktiv an ihrer eigenen Gesundheitsversorgung mitzuwirken, verbessern kann.
Die aktuellsten Ergebnisse aus Forschung und Praxis deuten auf die Sinnhaftigkeit zur Förderung einer stärkeren Bewegungspräsenz während der HD hin. Für die Zukunft des intradialytischen Sports wegweisend, sind insbesondere die Ergebnisse der DiATT Studie.
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Fabian Scheffold & Isabelle Balge
Fachexperten Dialyse Traings-Therapie