
THERAPY-Magazin
Gleichgewichtstraining praktisch gestalten
Erfolgreiches Gleichgewichtstraining erfordert gezielte Aufgaben und eine optimierte Umgebung. Lesen Sie, wie SB-Geräte effektive und sichere Therapien ermöglichen.

Martin Huber
Freiberufler in der ambulanten Physiotherapie von neurologischen
Patienten
Kernidee der Taxonomie ist es, durch die gezielte Auswahl der Aufgabe und die ebenso gezielte Gestaltung der Umwelt, eine individuell „maßgeschneiderte“ Therapie („tailored therapy“, „targeted therapy“) [9] zu gewährleisten. Diese Vorgehensweise setzt die Forderungen der niederländischen Schlaganfallleitlinie nach Aufgaben- und Umweltspezifität an die Therapie um [5, 6, 10, 16]. Standing-and-Balancing-Geräte (SB-Geräte) bieten hier viele Optionen.
Unterstützungsfläche
Eine der wichtigsten Möglichkeiten der gezielten Anpassung der Aufgabe besteht in der Wahl der Größe der Unterstützungsfläche (USFL), denn die Fußposition ist wahrscheinlich die klassischste Art ein sogenanntes Shaping zu gestalten. Mit Shaping ist hier die systematische Steigerung des Schwierigkeitsgrades gemeint [15]. Im Sinne der Challenge-Point-Theorie geht es darum, dass der Übende immer an seinem individuellen Leistungslimit gefordert wird [4]. Der Steigerungsverlauf lautet: Parallelstand, Schrittstand, Tandemstand, Einbeinstand [8]. Es könnte noch der Kreuzstand dazu genommen werden. Diese Standposition ist jedoch nicht sehr funktionell.
Eine weitere wichtige Komponente zur Anpassung der Aufgabe besteht darin, festzulegen, in welche Richtungen der Körperschwerpunkt über der Unterstützungsfläche bewegt werden soll. Die Hauptbewegungsrichtungen sind anterior-posterior (a-p), medio-lateral (m-l) und die sogenannten 2D-Bewegungen, die aus einer Kombination von a-p- und m-l-Gewichtsverlagerungen resultieren. Die anterioren Gewichtsverlagerungen sind ein sinnvolles Mittel, um die sog. Sprunggelenksstrategie zu üben, welche hauptsächlich die distalen Muskeln aktiviert [11, 13], während m-l-Gewichtsverlagerungen eher die laterale Bewegungskontrolle trainieren. Hierbei sind v. a. die proximalen Muskeln gefordert. Bei schwerbetroffenen Patienten kann es auch sinnvoll sein, statisch zu trainieren, d. h. der Körperschwerpunkt soll lediglich ohne sichtbare Bewegungen über der USFL gehalten werden. Dabei geht es also darum, nicht umzufallen.
Eine der wichtigsten Möglichkeiten der gezielten Anpassung der Aufgabe besteht in der Wahl der Größe der Unterstützungsfläche (USFL), denn die Fußposition ist wahrscheinlich die klassischste Art ein sogenanntes Shaping zu gestalten. Mit Shaping ist hier die systematische Steigerung des Schwierigkeitsgrades gemeint [15]. Im Sinne der Challenge-Point-Theorie geht es darum, dass der Übende immer an seinem individuellen Leistungslimit gefordert wird [4]. Der Steigerungsverlauf lautet: Parallelstand, Schrittstand, Tandemstand, Einbeinstand [8]. Es könnte noch der Kreuzstand dazu genommen werden. Diese Standposition ist jedoch nicht sehr funktionell.
Eine weitere wichtige Komponente zur Anpassung der Aufgabe besteht darin, festzulegen, in welche Richtungen der Körperschwerpunkt über der Unterstützungsfläche bewegt werden soll. Die Hauptbewegungsrichtungen sind anterior-posterior (a-p), medio-lateral (m-l) und die sogenannten 2D-Bewegungen, die aus einer Kombination von a-p- und m-l-Gewichtsverlagerungen resultieren. Die anterioren Gewichtsverlagerungen sind ein sinnvolles Mittel, um die sog. Sprunggelenksstrategie zu üben, welche hauptsächlich die distalen Muskeln aktiviert [11, 13], während m-l-Gewichtsverlagerungen eher die laterale Bewegungskontrolle trainieren. Hierbei sind v. a. die proximalen Muskeln gefordert. Bei schwerbetroffenen Patienten kann es auch sinnvoll sein, statisch zu trainieren, d. h. der Körperschwerpunkt soll lediglich ohne sichtbare Bewegungen über der USFL gehalten werden. Dabei geht es also darum, nicht umzufallen.

Der „Klassiker“ zur Therapie der sensorischen Gewichtung ist die Arbeit mit geschlossenen Augen
Gewichtsverlagerungen können auch über Reich- und Greifbewegungen der oberen Extremität induziert werden. Das ist ein sehr funktioneller Zugang, denn der Alltag steckt voller Arm- und Greifbewegungen im Stehen. Je nach Zielpunkt der Reich- oder Greifbewegung kann die Richtung der Gewichtsverlagerung bestimmt werden [11]. Bei Greifbewegungen kann außerdem über das Gewicht des anzuhebenden Gegenstandes zusätzlich der Schwierigkeitsgrad der Aufgabe angepasst werden (Stichwort: Shaping).
Sensorische Gewichtung
Viele neurologische und auch geriatrische Patienten haben Schwierigkeiten mit der sogenannten sensorischen Gewichtung. Sensorische Gewichtung ist der dynamische Prozess der Integration und Verarbeitung sensorischer Informationen [12]. Die sensorischen Informationen, die das ZNS zur Gleichgewichtskontrolle nutzt, sind der somatosensorische, der visuelle und der vestibuläre Input. Beispielweise muss bei ungünstigen Lichtverhältnissen die sensorische Integration zugunsten der Somatosensorik und weg vom visuellen Input gewichtet werden. Häufig gewöhnen sich Menschen mit Gleichgewichtsproblemen einen übermäßigen Gebrauch des Visus an [7]. Daraus resultierend kommt es zu einer mehr oder weniger ausgeprägten Blickfixation. Um die sensorische Gewichtung zu trainieren, kann die Aufgabe entsprechend angepasst werden
Viele neurologische und auch geriatrische Patienten haben Schwierigkeiten mit der sogenannten sensorischen Gewichtung. Sensorische Gewichtung ist der dynamische Prozess der Integration und Verarbeitung sensorischer Informationen [12]. Die sensorischen Informationen, die das ZNS zur Gleichgewichtskontrolle nutzt, sind der somatosensorische, der visuelle und der vestibuläre Input. Beispielweise muss bei ungünstigen Lichtverhältnissen die sensorische Integration zugunsten der Somatosensorik und weg vom visuellen Input gewichtet werden. Häufig gewöhnen sich Menschen mit Gleichgewichtsproblemen einen übermäßigen Gebrauch des Visus an [7]. Daraus resultierend kommt es zu einer mehr oder weniger ausgeprägten Blickfixation. Um die sensorische Gewichtung zu trainieren, kann die Aufgabe entsprechend angepasst werden
Spiele können die Motivation während des Trainings günstig beeinflussen
Eine Möglichkeit, die Blickfixation abzubauen, sind Blickfolge- bzw. Blickstabilisationsaufgaben. Dabei wird der Kopf bewegt, während die Augen stabil bleiben. Der „Klassiker“ zur Therapie der sensorischen Gewichtung ist die Arbeit mit geschlossenen Augen. Hier gilt es zu beachten, dass es sinnvoll ist, Zielpunkte für die Gewichtsverlagerung zu geben, die somatosensorisch gespürt werden können. Diese Zielpunkte geben dem Übenden Orientierungspunkte für das Ausmaß der Gewichtsverlagerungen.
Die Umwelt anpassen
Die gezielte Anpassung der Umwelt bietet weitere interessante Therapieoptionen. V. a. der Therapiekeil ist sehr geeignet, bestimmte Aspekte der posturalen Kontrolle spezifisch zu trainieren [8]. Grundsätzlich gibt es drei Varianten der Keilposition: toes-up (Zehen hoch), toes-down (Zehen abwärts) und beides in Kombination mit der diagonalen Keilposition, welche dann einen pronatorischen Kippeffekt hat. Die unterschiedlichen Keilpositionen haben unterschiedliche Indikationen [8]. Die toes-up-Stellung bewirkt eine Mobilisation der Wadenmuskulatur, die toes-down-Stellung bewirkt eine verstärkte Aktivierung der Wadenmuskulatur, was zur Verbesserung der Sprunggelenksstrategie beitragen kann. Die diagonale Keilposition bewirkt eine Pronationsstellung im unteren Sprunggelenk (USG), welche der typischen Supinationsfehlstellung der Füße bei neurologischen Patienten entgegenwirken soll. Die diagonale Position kann sowohl mit toes-down als auch mit toes-up kombiniert werden. Weitere Optionen ergeben sich dann aus dem zusätzlichen Einbezug der verschiedenen Fußpositionen in die Arbeit mit dem Therapiekeil.
Die gezielte Anpassung der Umwelt bietet weitere interessante Therapieoptionen. V. a. der Therapiekeil ist sehr geeignet, bestimmte Aspekte der posturalen Kontrolle spezifisch zu trainieren [8]. Grundsätzlich gibt es drei Varianten der Keilposition: toes-up (Zehen hoch), toes-down (Zehen abwärts) und beides in Kombination mit der diagonalen Keilposition, welche dann einen pronatorischen Kippeffekt hat. Die unterschiedlichen Keilpositionen haben unterschiedliche Indikationen [8]. Die toes-up-Stellung bewirkt eine Mobilisation der Wadenmuskulatur, die toes-down-Stellung bewirkt eine verstärkte Aktivierung der Wadenmuskulatur, was zur Verbesserung der Sprunggelenksstrategie beitragen kann. Die diagonale Keilposition bewirkt eine Pronationsstellung im unteren Sprunggelenk (USG), welche der typischen Supinationsfehlstellung der Füße bei neurologischen Patienten entgegenwirken soll. Die diagonale Position kann sowohl mit toes-down als auch mit toes-up kombiniert werden. Weitere Optionen ergeben sich dann aus dem zusätzlichen Einbezug der verschiedenen Fußpositionen in die Arbeit mit dem Therapiekeil.
Motivation durch Exergaming
Eine Erweiterung der Therapieoptionen bietet der Einsatz des Exergamings. Durch verschiedene Spielsituationen können ganz gezielt bestimmte Aspekte der posturalen Kontrolle trainiert werden. Die Spiele können die Motivation am Training günstig beeinflussen und sind außerdem gut für ein Eigentraining geeignet, da eine permanente Betreuung durch einen Therapeuten nicht nötig ist. Das Exergaming kann problemlos mit allen oben genannten Aspekten der Aufgaben- und Umweltgestaltung kombiniert werden.
Abschließend eine kurze (und unvollständige) Auflistung „typischer“ Gleichgewichtsprobleme neurologischer und geriatrischer Patienten [1, 2, 3, 14]:
-eingeschränkte OSG-Strategie bei der Gewichtsverlagerung v. a. nach anterior aber auch nach posterior
-medio-laterale Instabilität bzw. eingeschränkte Gewichtsverlagerung, v. a. auf die mehr-betroffene Seite
-eingeschränkte sensorische Gewichtung
In einem vorgängigen Clinical Reasoning werden die Problembereiche des Patienten identifiziert. Anschließend wird diesbezüglich eine maßgeschneiderte Therapie erstellt.
Letztlich sind die Aufgaben- und Umweltspezifität entscheidende Kriterien für die Wirksamkeit der Therapie. Mit Fantasie und Sachverstand lassen sich in SB-Geräten sehr sinnvolle und individuelle Therapiesituationen kreieren.
Eine Erweiterung der Therapieoptionen bietet der Einsatz des Exergamings. Durch verschiedene Spielsituationen können ganz gezielt bestimmte Aspekte der posturalen Kontrolle trainiert werden. Die Spiele können die Motivation am Training günstig beeinflussen und sind außerdem gut für ein Eigentraining geeignet, da eine permanente Betreuung durch einen Therapeuten nicht nötig ist. Das Exergaming kann problemlos mit allen oben genannten Aspekten der Aufgaben- und Umweltgestaltung kombiniert werden.
Abschließend eine kurze (und unvollständige) Auflistung „typischer“ Gleichgewichtsprobleme neurologischer und geriatrischer Patienten [1, 2, 3, 14]:
-eingeschränkte OSG-Strategie bei der Gewichtsverlagerung v. a. nach anterior aber auch nach posterior
-medio-laterale Instabilität bzw. eingeschränkte Gewichtsverlagerung, v. a. auf die mehr-betroffene Seite
-eingeschränkte sensorische Gewichtung
In einem vorgängigen Clinical Reasoning werden die Problembereiche des Patienten identifiziert. Anschließend wird diesbezüglich eine maßgeschneiderte Therapie erstellt.
Letztlich sind die Aufgaben- und Umweltspezifität entscheidende Kriterien für die Wirksamkeit der Therapie. Mit Fantasie und Sachverstand lassen sich in SB-Geräten sehr sinnvolle und individuelle Therapiesituationen kreieren.
Fazit
Die Therapie in SB-Geräten kann individuell und zielgerichtet gestaltet werden. Sehr viele Therapiemöglichkeiten in einer sturzsicheren Umgebung sind gegeben. Neben der Aufgaben- und Umweltspezifität kann auch der Wirkfaktor Intensität umgesetzt werden.
Die Therapie in SB-Geräten kann individuell und zielgerichtet gestaltet werden. Sehr viele Therapiemöglichkeiten in einer sturzsicheren Umgebung sind gegeben. Neben der Aufgaben- und Umweltspezifität kann auch der Wirkfaktor Intensität umgesetzt werden.
Ambulante Rehabilitation
balo
Fachkreise
Produkte
Standing & Balancing
Therapie & Praxis
THERAPY Magazin

Martin Huber
Freiberufler in der ambulanten Physiotherapie von neurologischen
Patienten
Martin Huber ist Physiotherapeut und hat 2007 den Master of Science in Neurorehabilitation
erworben. Als Therapeut behandelt er hauptsächlich Patienten mit Schädigungen des Zentralen
Nervensystems. Seit 2010 ist er freiberuflich in der ambulanten Physiotherapie bei neurologischen
Patienten tätig. Bereits vor einigen Jahren berichtete er in renommierten Fachzeitschriften über
posturale Kontrolle und aufgabenorientierte Therapie und ist als Referent bei diversen nationalen
Physiotherapiekongressen vertreten.
References:
- Bower K (2019). Dynamic balance and instrumented gait variables are independent predictors of falls following stroke. Journal of NeuroEngineering and Rehabilitation.16:3.
- de Haart M (2004). Recovery of standing balance in postacute stroke patients: a rehabilitation cohort study. Arch Phys Med Rehabil 85:886-95.
- Geurts AC (2005). A review of standing balance recovery from stroke. Gait Posture 22(3):267-81.
- Guadagnoli MA, Lee T (2004). Challenge point: a framework for conceptualising the effects of various practice conditions in motor learning. J Mot Behav.39: 212-24.
- Huber M (2014). Posturale Kontrolle. pt Zeitschrift für Physiotherapeuten 66(5): 12-23.
- Huber M (2016). Posturale Kontrolle – Grundlagen. neuroreha 8: 158-162.
- Huber M (2018). Balancepad – wissen wir wie´s wirkt? physiopraxis 16(5): 30-31.
- Huber M (2019). Auf der schiefen Bahn – Gleichgewichtstraining auf dem Therapiekeil, physiopraxis. 17(11-12): 42-45.
- Johns E (2019). Using the Brief-BESTest paired with a novel algorithm to provide targeted balance interventions for people with subacute stroke: a feasibility study. TOPICS IN STROKE REHABILITATION. 26(1):32-38.
- KNGF (2014). Clinical Practice Guideline for Physical Therapy in patients with stroke. Practical Guideline.
- Leonard J (2009). Reaching to Multiple Targets When Standing: The Spatial Organization of Feedforward Postural Adjustments. J Neurophysiol 101: 2120-2133.
- Mahboobin A (2008). Sensory Adaptation in Human Balance Control: Lessons for Biomimetic Robotic Bipeds. Robotics Institute. Paper 72.
- Maki B (2006). Control of rapid limb movements for balance recovery: age-related changes and implications for fall prevention. Age and Ageing. 35-S2: ii12-ii18.
- Morrison S (2016). Deficits in medio-lateral balance control and the implications for falls in individuals with multiple sclerosis. Gait & Posture 49:148-154.
- Taub E (1994). An operant approach to rehabilitation medicine: overcoming learned nonuse by shaping. Journal of the Experimental Analysis of Behavior. (61): 281-293.
- Veerbeek JM (2014). What Is the Evidence for Physical Therapy Poststroke? A Systematic Review and Meta-Analysis. PLoS ONE 9(2): e87987.
Verwandte Inhalte
Meet our specialists.
Are you interested in our solutions? tzkjtrzktzkmrz Schedule a meeting with a Consultant to talk through your strategy and understand how TEHRA-Trainer can help you to advance rehabilitation.